Die Bombe auf dem Zwiebelmarkt – eine Rezension von Annerose Kirchner (OTZ)

Das perfekte Verbrechen gibt es nicht. Klaus Dalski, Kriminaloberrat a. D., weiß das aus eigener Erfahrung. Kopfzerbrechen bereiten dem Ex-Kriminalisten noch immer ungelöste Verbrechen. Dazu zählt der Mord an einer Krankenschwester in Sömmerda vor über 20 Jahren. Das Verbrechen könnte heute mit DNA-Analyse vielleicht endlich aufgeklärt werden. Über diesen Fall schrieb Klaus Dalski, der seit 50 Jahren in Thüringen lebt und über 25 Jahre – 1964 bis 1990 – erfolgreich als Kriminalist in Erfurt und Weimar ermittelte, in seinem Bestseller „Der Kopf in der Ilm“.
Nun setzt er das Buchdebüt von 2010 fort, mit neuen Geschichten, die auf wahren Tatsachen beruhen. Erneut hat sich der Arnstädter Verleger Michael Kirchschlager für seinen Autor stark gemacht. Kein Wunder, nach dem überwältigenden Erfolg des ersten Bandes. Daran ist auch der Weimarer Schriftsteller Wolfgang Held beteiligt, der schon lange um Dalskis Erzähltalent wusste und den „Neuling“ beim Schreiben bestärkte.
Das neue Buch trägt den prägnanten Titel „Die Bombe auf dem Zwiebelmarkt“ und stellt 34 unterschiedliche, wieder auf wahren Ereignissen beruhende Fälle vor, die Dalski aus der Erinnerung heraus aufgeschrieben hat. Dabei wurden Details zu Namen oder Orten verändert. Der Autor recherchierte nicht in Archiven und wälzte Akten, stattdessen befragte er ehemalige Kollegen, wie den Leiter der Morduntersuchungskommission Peter Schilling.
Der Leser ist sofort mittendrin im Geschehen, wird mit furchtbaren, unglaublich brutalen Ereignissen konfrontiert, mit Tragödien und mysteriösen Vorgängen. Dalski geht es aber nicht vorrangig um die Schilderung extremer Details, sondern um das Gesamtbild der Verbrechen.
Die Geschichten über Vergewaltigung, Diebstahl, versuchte Brandstiftung, Fahrerflucht nach fahrlässiger Tötung, Kindesmissbrauch, Brudermord, Urkundenfälschung, Mord und Diebstahl sind präzise formuliert, gehen auf die Hintergründe der Taten sehr genau ein und beschreiben die unheilvolle „Verbindung“ von Opfer und Täter.
Viel ist über das engagierte und vielseitige Wirken der Kriminalisten in der DDR zu erfahren, die manche Fälle nicht bis zu Ende klären durften, weil das Ministerium für Staatssicherheit die Zuständigkeit übernahm. So blieben Motive im Dunkeln, wie im Jahr 1979, als zwei Jugendliche auf dem beliebten Weimarer Zwiebelmarkt eine selbst hergestellte Rohrbombe zur Detonation brachten. Über den dabei verwendeten Zündstoff, eingetauscht bei sowjetischen Soldaten, und Zeugenaussagen kamen die Ermittler den Verdächtigen und offensichtlich an Waffen und Munition vernarrten Jugendlichen auf die Spur.
Ratlosigkeit und Wut erzeugen Geschichten wie die über den „geistig etwas zurückgebliebenen“ Kindesmörder Herbert U. (Das Kind mit den Wachsaugen“) – einer der letzten Fälle im Herbst 1989 – oder das erstickte Baby, das auf der Müllkippe im Bezirk Erfurt aufgefunden wurde. Dalski, 1939 in Frankfurt an der Oder geboren, zieht hier, wie auch in anderen Texten, aktuelle Parallelen zu ähnlichen Fällen und erinnert an die Tötungen von Neugeborenen in den letzten Jahren.
Straftaten, die in der DDR nicht an die Öffentlichkeit dringen durften, betrafen Angehörige der sowjetischen Streitkräfte. Dazu zählt ein Hubschrauber-Absturz bei Hohenfelden. An der Suche nach einem Wachhabenden, Standort Nohra, der im Dienst überreagierte, Kameraden erschoss und sich dann umbrachte, war der Ex-Kriminalist selbst beteiligt. Fazit: Ein sinnloser Tod „fern der Heimat“, dessen Hintergründe Dalski kritisch betrachtet.
Ein Kriminalist wird mit den Schattenseiten des Lebens konfrontiert, aber auch mit merkwürdigen Situationen. Zu den außergewöhnlichen Menschen gehörte „Die Frau von Lermontow“. „Verhafte er sofort die Putzfrau!“ lautete der strenge Befehl der Dame mit adliger Herkunft, die Geld und Familienschmuck vermisste. Eine leichte „Übung“ für den zuständigen Kriminalisten, der nur Sessel und Sofa überprüfen musste, um die versteckten Dinge zu finden.
Klaus Dalski, der zuerst als Lehrer tätig war, bevor er zur Kripo kam, erzählt profund jüngste Kriminal- und Zeitgeschichte. Abschließend beantwortet er in einem Interview oft an ihn gestellte Leserfragen über die Kriminalpolizei in der DDR und gibt ein paar heitere Witze zum Besten.

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