Der zweifache Mörder Rütgerodt (Einbeck, 1773/1775) von Wolfgang Krüger

Johann Heinrich Julius Rütgerodt war ein zwar recht vermögender, aber auch geiziger Ackerbürger in der Fachwerk- und Bierstadt Einbeck, im Kurfürstentum Hannover gelegen. Wie alle wohlhabenden Bürger hielt er sich eine Dienstmagd. Diese, Dorothea Hedwig Sprenger, wurde alsbald seine Geliebte, und der ehrbare Bürger verstand es geschickt, das Verhältnis vor seiner Ehefrau Marie Eleonore zu verbergen. Großzügige Geldzuwendungen verhalfen der ansonsten geschwätzigen Magd zum Stillschweigen. Doch mit der Zeit wurde sie in ihren finanziellen Ansprüchen immer unersättlicher. Ja, eines Tages eröffnete sie ihm, sie sei von ihm schwanger, und diese ihn am allermeisten betreffende Schmach könne nur durch einen noch größeren Geldbetrag getilgt werden. Andernfalls wolle sie alles seiner Frau erzählen. Der Ackerbürger geriet in schiere Verzweiflung, er fürchtete um sein Ansehen im Städtchen. Die Geliebte war ihm nun lästig, ja gefährlich geworden und sie mußte daher beseitigt werden.

Rütgerodt beschaffte sich Gift und reichte es der erpresserischen Magd in ihrer Speise dar. Die erwartete Wirkung blieb aus. Er verfiel daher auf einen anderen Plan. Eines späten Abends im März 1773, seine Frau lag bereits im Bett, bat er Dorothea Hedwig, sie solle ihm Speisen aus dem Keller holen. Und er folgte ihr, als sie, eine Kerze in der Hand, in das dunkle Untergeschoß stieg. Eine schwere Wagenrunge in der Hand, trat er hinter die junge Frau und schlug mit aller Kraft schlug zu, so daß diese augenblicklich mit zertrümmertem Schädel zu Boden stürzte. Rasch grub er im Kellerboden ein tiefes Loch und verscharrte darin seine in vielerlei Hinsicht zu Diensten stehende Magd.

Am nächsten Tag befragt, wo diese sei, meinte er, sie habe sich in der Nacht ohne Erlaubnis davongemacht, sei also einfach so entlaufen. Damit gab man sich zufrieden, auch seine Ehefrau. Rütgerodt ging in der Folgezeit seines täglichen Geschäfts nach, während im Keller sein Opfer verweste. Aber der häusliche Friede war nun gestört wie nie zuvor. Immer wieder gerieten sich die Eheleute in die Haare, zumal ihre Wünsche und Ansprüche seinem Geiz entgegenstanden. Zwei Jahre nach dem Verschwinden der Magd hatte er von den Querelen genug: Marie Eleonore mußte ebenfalls verschwinden, und zwar gleichfalls auf mörderische Weise. Zudem hatte er bereits eine neue Eheschließung mit einer achtbaren Frau aus Einbeck ins Auge gefaßt. Am 5. Februar 1775 erwarb er von der Apotheke eine größere Menge Arsenik und mengte dies seiner Frau unter die Speise. Und wieder scheiterte sein Giftanschlag: Die tödliche Wirkung blieb aus. So ging man in der folgenden Nacht zu Bett, die Frau zänkisch wie immer, der Mann frustriert ob seines mißlungenen Mordversuchs. Doch die nächste Gelegenheit ergab sich noch in derselben Nacht, als man laut miteinander zu streiten begann. Sie machte ihm Vorhaltungen wegen seines Geizes. Rütgerodt verließ die Schlafkammer und kehrte mit einem Beil in der Hand zurück. Mit der stumpfen Seite versetzte er Marie Eleonore einen derart wuchtigen Schlag auf den Kopf, daß ihr der Schädel zertrümmert wurde. Die Tote verbrachte er in derselben Nacht in den Keller, grub unweit von der Stelle, wo seit zwei Jahren seine erschlagene Magd ruhte, ein zweites Loch und ließ darin seine Frau verschwinden. Das „Grab“ deckte er sorgfältig zu.

Am nächsten Tag erzählte er allen, die es wissen wollten, seine Frau sei ihm ebenfalls davongelaufen … wegen ehelicher Schwierigkeiten. Doch so recht mochten die Nachbarn und die Verwandten dies nicht glauben. Gerüchte liefen im Städtchen umher, daß es bei dem Verschwinden der Frau Rütgerodt nicht mit rechten Dingen zugehe. Der Magistrat veranlaßte eine Hausdurchsuchung, die sich zu des Hausbesitzers Unbehagen auch auf den Keller erstreckte. Man grub an einer verdächtig erscheinenden Stelle nach … und stieß auf die dort kürzlich verscharrte Frau Rütgerodt. Weitere Grabungen förderten auch die völlig verweste Leiche der seit zwei Jahren abgängigen Dienstmagd zutage. Und der Täter konnte nur der Hausherr sein! Das Stadtgericht in Einbeck zog Rütgerodt nun in Untersuchung, und er gestand beide Morde ein. Kaum waren die Untersuchungsakten abgeschlossen, wurden sie an die renommierte Juristenfakultät in Göttingen versandt. Diese gab nach Prüfung des Falles ihr Gutachten ab, sich dabei auf die Bestimmungen der Carolina stützend, wonach der Inquisit wegen Mordes in zwei Fällen mit der geschärften Todesstrafe mittelst Zerschmetterung der Glieder mit eisernen Keulen von unten auf vom Leben zum Tode zu bringen sei.

Der 30. Juni 1775 war der Tag, an dem Rütgerodt, mittlerweile 40 Jahre alt, seine beiden Verbrechen mit dem eigenen Tod sühnen sollte. Auf dem Einbecker Marktplatz wurde vor versammelten Richtern, Magistratspersonen und vor allem dem neugierigen Volk zunächst das obligatorische hochnotpeinliche Halsgericht samt Stabbrechung über den armen Sünder gehalten. Dann legte man Rütgerodt auf einen mit einer blutigen Kuhhaut überspannten und von einem Pferd gezogenen Schlitten, der ihn hinaus vor die Stadt brachte. Auf dem Richtplatz auf der Hube, dem auf einer Anhöhe außerhalb der Stadt gelegenen städtischen Richtplatz, starb der Delinquent den ihm zugedachten Tod. Es ist anzunehmen, daß ihm die Gnade einer rasch bewerkstelligten von den Zuschauern unbemerkt gebliebenen Erdrosselung zuteil wurde, wie es im benachbarten Königreich Preußen seit geraumer Zeit gang und gäbe war. Der zerschmetterte Körper wurde darauf auf ein Rad gelegt und dieses zur Abschreckung an der Richtstätte aufgestellt.

Wolfgang Krüger

Dieser Beitrag wurde unter Kriminalfälle, Wolfgang Krüger veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.