Ein Ehebruch und seine tödlichen Folgen (Gannerwinkel im Amt Knesebeck, 1817/1818) von Wolfgang Krüger

Die Rademachersfrau Anne Ilse Möhring aus Gannerwinkel im hannoverschen Amt Knesebeck pflegte trotz ihres bereits fortgeschrittenen Alters – sie zählte bereits 50 Jahre – ehebrecherischen Umgang mit ihrem 32jährigen Knecht Johann Christoph Bührke. Dieses Verhältnis war wohl weniger auf die Initiative des bis dahin unbescholtenen Mannes zurückzuführen. Vielmehr hatte es die Frau verstanden, ihn an sich zu fesseln, obwohl ihre äußere Erscheinung nicht sonderlich beeindruckte. Mit ihrer Zuneigung zum eigenen Mann dagegen hielt sich sehr zurück. Ja: Sie verachtete ihn dermaßen, daß sie wiederholt vor Bührke und auch vor anderen Leuten äußerte, sie sähe ihn lieber tot und begraben, als daß sie mit ihm weiterhin ihr kümmerliches Leben fristen wolle.

Charakterlich äußerst schwach, ertrug der Rademacher Johann Friedrich Möhring die Demütigungen seiner Frau mit großem Gleichmut. Nur als er eines Tages im Februar 1817, überraschend von einer Reise zurückgekehrt, die beiden in der ehelichen Schlafkammer antraf, faßte er sich ein Herz: er überschüttete seinen Knecht mit Vorwürfen und verprügelte seine treulos gewordene Frau.

Weil nun die Möhring immer mehr die Überzeugung gewann, Johann Friedrich sei im Grunde auf Erden überflüssig, faßte sie den Entschluß, sein Ende vorzeitig herbeizuführen. Zu diesem Zweck redete sie ihrem Knecht und Liebhaber so lange gut zu, bis dieser ebenfalls die Notwendigkeit eines baldigen Ablebens seines Herrn zu erkennen glaubte und auch für die Ausführung zu sorgen versprach. Aus der Apotheke wurde Arsenik beschafft und an dem Ahnungslosen ausprobiert; es verfehlte jedoch wegen unfachmännischer Anwendung die gewünschte Wirkung. So steckten Herrin und Knecht wieder die Köpfe zusammen. Der Möhring kam Erschießen in den Sinn, dem Knecht dagegen Totschlagen. Beides wurde verworfen. Schließlich stand ein Plan, der ihnen hinsichtlich einer todbringenden Wirkung weitaus geeigneter erschien als der Vergiftungsversuch.

Am 5. Mai 1817 frühmorgens versteckte sich Bührke, mit einem Gewehr bewaffnet, im Gehölz unweit des Dorfes, in der Gewißheit, das sein Opfer auf seinem Wege zur Arbeit hier vorbeikommen müsse. Er brauchte nicht lange zu warten. Als der Rademacher vorüberging, ließ sein Knecht, hinter einem Gebüsch verborgen, ihn zunächst unbehelligt passieren. Dann schlich er ihm nach, hielt an einer für die Begehung der Tat günstigen Stelle inne, legte seine Waffe aus etwa zwei Metern Entfernung auf den Ahnungslosen an und drückte ab. Die Kugel zerschmetterte dem Mann den Hinterkopf, so daß sofort der Tod eintrat. Wie verabredet, zog Bührke dem Toten den Geldbeutel aus der Tasche (und übergab ihn später der Geliebten), um den Verdacht auf räuberische Wilddiebe zu lenken, die in jener Gegend häufig von sich reden machten. Dann kehrte er nach Gannerwinkel zurück und meldete seiner Dienstherrin den Vollzug des von ihr beschlossenen Todesurteils über den ungeliebten Gatten.

Bauern fanden den Leichnam mehrere Stunden später und benachrichtigten das Amt. Und ein Verdacht war auch rasch zur Hand: Den Dorfbewohnern war das schamlose Treiben des Knechtes mit seiner Dienstherrin nicht unbemerkt geblieben. Außerdem fand man in seiner Behausung, gut versteckt, ein Gewehr, das noch Spuren eines kürzlich abgefeuerten Schusses zeigte. Bührke wurde zur Haft gebracht, bequemte sich alsbald zu einem Geständnis, wobei er anfangs behauptete, der Schuss sei unbeabsichtigt losgegangen, jedoch bald einräumen mußte, der Tod des Rademachers sei geplant gewesen. Als Anstifterin seines Verbrechens bezeichnete er die ältere Geliebte. Die verwitwete Möhring wurde ebenfalls in Haft gebracht, leugnete aber zunächst ihre Beteiligung an der Tat, auch den ehebrecherischen Umgang mit dem Knecht. Erst als man ihr gut zuredete, legte sie ein Geständnis ab. Als Motiv nannte sie dem Untersuchungsrichter die sexuelle Unfähigkeit ihres Mannes sowie den gesteigerten Wunsch, den so viel jüngeren Knecht zu heiraten.

Weil nun das relativ unbedeutende Amt Knesebeck mit seinen nicht einmal 4000 Einwohnern nicht die Befugnis zur Kriminaluntersuchung besaß, also kein „Kriminalamt“ war, wurden Herrin und Knecht nach Celle verbracht, wo die zuständige Burgvogtei die weitere Untersuchung, also die Spezialinquisition, gegen die beiden fortsetzte.

Noch vor Jahresablauf fällte die königliche Justizkanzlei in Celle das Urteil, wie es die Carolina vorschrieb:

„… daß der Inquisit Johann Christoph Bührke, weil er geständiger und überführtermaaßen, nach vorher mit der Inquisitinn Anne Ilse Möhring, gebornen Cordes, getroffenen wohlüberlegten Entschluße und Verabredung, den Rademacher Johann Friedrich Möhring zu Gannerwinkel am 5ten Mai 1817 Morgens früh, hinterlistiger und meuchelmörderischer Weise durch einen Schuß ums Leben gebracht hat, ihm selbst zur wohlverdienten Strafe, andern aber zum Schrecken und Abscheu, durch Zerschmetterung seiner Glieder mit eisernen Keulen von oben herab, vom Leben zum Tode zu bringen, sein Körper aber auf das Rad zu flechten sei. Ferner: daß die Inquisitinn, Anne Ilse, verwittwete Möhring, geborne Cordes, weil sie geständiger und überführtermaaßen den Inquisiten Johann Christoph Bührke mehrmals aufgefordert und angereitzt, ihren Ehemann, den Rademacher Johann Friedrich Möhring zu erschießen, diesen Mord auch ausdrücklich mit ihm verabredet und durch mehrere angewandte Mittel solchen zu befördern und zu erleichtern versucht hat; solchergestalt aber als würkliche Theilnehmerinn und Mitgehülfinn des durch den Inquisiten Bührke am 5ten Mai 1817 an ihrem Ehemanne verübten Meuchelmordes zu betrachten ist, ihr selbst zur wohlverdienten Strafe, andern aber zum Schrecken und Abscheu, nachdem zuvor das Urtheil an dem Coinquisiten Bührke in ihrer Gegenwart vollzogen worden, durch Zerschmetterung ihrer Glieder mit eisernen Keulen von oben herab, von Leben zum Tode zu bringen, ihr Körper aber auf das Rad zu flechten sei.“

Da der Gattenmord und der Mord am Dienstherrn immer noch zu den abscheulichsten Verbrechen gehörte, verlor der in London residierende Prinzregent, der seit 1811 den in geistige Übernachtung gefallenen König Georg III. vertrat, keine Zeit, die aus dem Justizministerium in Hannover eingereichten Urteile zu unterzeichnen. Er instruierte das Ministerium, der Burgvogtei Celle die baldige Vollstreckung aufzutragen. Damit war das Schicksal der beiden Verurteilten besiegelt.

Am frühen Morgen des 5. Mai 1818 wurde das Mörderpaar vom Untersuchungsgefängnis am Weißen Wall, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Tribunalgebäude, zum „Kreise“ vor dem Altenceller Tor geführt, wo das hochnotpeinliche Halsgericht mit der abschließenden Stabbrechung erfolgte. Anschließend wurden die beiden Delinquenten, begleitet von Gerichtspersonen, Militär, Geistlichkeit sowie dem Scharfrichter Funke, zum südlichen Teil, niedrigeren Teil des Galgenberges unweit der Braunschweiger Chaussee gebracht, wo man das Schafott errichtet hatte. Dort erlitten sie die ihnen zugedachte Strafe, freilich, nachdem sie zuvor von den Zuschauern unbemerkt erdrosselt worden waren. Die gebrochenen Körper wurden dann auf zwei Räder gelegt und diese auf Pfählen aufgerichtet, den beiden Toten als Verschärfung ihrer Strafe, den Lebenden gleichsam als Mahnung.

Wolfgang Krüger

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