Ralf Staufenbiel: Knete in der Hose – ein Drama aus Staßfurt (2004)

Im Winter 2004 wurde auf dem Bahnhof von Staßfurt eine männliche obdachlose Person im mittleren Alter tot aufgefunden. Aufgrund der ungeklärten Todesursache sowie der ungesicherten Identität kam es zur Obduktion. Hier erlebte ich mit, unter welch unwürdigen Bedingungen der arme Mensch gestorben war.
Nach dem Entfernen seiner verlumpten Kleidung bemerkte ich sogar erstmals bei der Oberärztin Frau Dr. L. ein gewisses Schaudern. Der hagere, scheinbar halb verhungerte Mann war völlig verwahrlost. Die Hosenbeine strotzten von den Schuhen bis hoch zu den Oberschenkeln von angetrockneten menschlichen Exkrementen. Ihre Konsistenz war Knete ähnlich!
Nach Durchtrennung dieser zirka drei bis vier Zentimeter dicken Schicht mit dem Skalpell kamen die schneeweißen Beine und lebende Maden zum Vorschein. So etwas hatte auch Frau Dr. L. in ihrer langjährigen Laufbahn in der Rechtsmedizin noch nie gesehen. Schließlich wurde eine fortgeschrittene Leberzirrhose diagnostiziert, die zum Tod geführt hatte.
Menschenschicksale mögen oftmals selbstverschuldet sein, Fälle wie dieser zeigen jedoch, daß eine kollektive Mitschuld der Gesellschaft keine leere Behauptung ist. Der Tod dieses Mannes hätte verhindert werden können, vielleicht durch eine kurze Meldung zu rechter Zeit beim Sozialamt … (Aus: Brände / Morde / Explosionen)

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