Seit Jahren hatte Hadley das Geld, das er bei sich trug, soweit es sich um größere Noten handelte, in einer Innentasche seiner Weste untergebracht. Er wiegte sich in dem Glauben, daß diese Gewohnheit niemandem außerhalb des Haushalts bekannt sei. Er war verblüfft, als einer der Einbrecher ohne weiteres auf seinen Kleiderschrank zuging, ihn öffnete, in die Innentasche der Weste griff und das Geld herausholte. Der Neger hatte inzwischen sich seiner Beinkleider bemächtigt und nahm das lose Kleingeld und die Schlüssel an sich, die sich darin befanden.
Hadley zerbrach sich den Kopf über seine nächtlichen Besucher. Sie waren wie vom Himmel gefallen vor ihm aufgetaucht, trotzdem schienen sie genau über ihn und seine Gewohnheiten Bescheid zu wissen, und die Plünderung ging ohne die geringste Stockung vor sich.
Zu den gestohlenen Wertgegenständen fügte einer noch eine mit Brillanten besetzte Uhr hinzu und trat dann drohend an das Bett.
„Aufstehen!“ befahl er. „Kommen Sie mit runter und öffnen Sie den Safe.“
„Ich kann nicht aufstehen, wenn ich derart gefesselt bin“, protestierte Hadley.
Der Führer wandte sich an den Neger.
„Helf ihm auf. Halt ihn fest, ich werde ihm die Fußfesseln wieder abnehmen. Du bleibst hier“, befahl er dann dem jungen Burschen.
Der Neger gab dem Halbwüchsigen seinen Revolver und nahm statt dessen die Eisenstange im Empfang, mit der der Bursche bewaffnet war. Die beiden führten dann Hadley in den ersten Stock hinunter, in sein Büro, und schnurstracks vor die Geheimtür, hinter der der Safe verborgen war.
„Los jetzt! Aufgemacht!“ kommandierte der Anführer.
Hadley langte nach einem Gesims zur rechten hinauf, wo er den Schlüssel aufzubewahren pflegte, nahm ihn herunter und öffnete die Tür, hinter der jetzt die Tür des Safes sichtbar wurde. Während er an dem Ziffernschloß des Safes hantierte, versuchte er Zeit zu gewinnen. Er hoffte noch immer, daß durch irgendeine glückliche Fügung seine ungebetenen Gäste von außen her überrascht werden könnten. Er tat deshalb so, als sei er ungeheuer nervös.
„Sie haben mir einen solchen Schrecken eingejagt, daß ich das Schloß nicht zum Funktionieren bringen kann“, erklärte er protestierend, nachdem er sich mit ungeschickten Fingern fünf Minuten lang daran zu schaffen gemacht hatte.
„Hol´ dich der Kuckuck! Mach´ jetzt auf, oder ich schlag dir den Schädel ein!“ knurrte der Neger.
Der Anführer wies ihn zur Seite. Gleichzeitig aber zog er eine kleine Blechbüchse aus der Tasche und hielt sie drohend seinem Gefangenen unter die Augen.
„Wissen Sie, was hier drin ist?“ fragte er.
„Ich glaube ich weiß es“, meinte Hadley.
„Jawohl, das ist Nytroglyzerin!“
Aus einer anderen Tasche zog der Räuber eine Kittmasse, die etwa wie Wachs aussah. „Das gehört auch dazu.“ Dann wies er noch verschiedene Zündschnüre und Zündhütchen vor. „So, mein Lieber, jetzt öffnen Sie den Safe oder Sie können miterleben, wie die Stahltür hier glatt zum Fenster hinausfliegt.“
Obwohl diese Drohungen auf Hadley keinen allzu großen Eindruck machten, war er sich darüber klar, daß er in die Enge getrieben war. Niedergeschlagen öffnete er die äußere Tür des Safes, das heißt die Tür, die durch das Ziffernschloß gesichert war.
Hadley wurde wieder ins Schlafzimmer hinaufgeführt. Seine Frau lag noch immer auf dem Boden. Der Halbwüchsige stand daneben Wache. Hadley stieg vor Empörung das Blut zu Kopf, er knirschte mit den Zähnen.
„Schämen Sie sich nicht“, würgte er heraus, „eine alte Frau da auf dem eiskalten Boden liegen zu lassen!“
„Du kannst froh sein, daß wir die Alte nicht ausgelöscht haben“, war die freche Antwort.
„Haben Sie keine Mutter?“ entgegnete Hadley. „Ihrer Mutter würden Sie es nicht zumuten, so liegen zu müssen.“
„Halt das Maul oder du kriegst eins über den Schädel!“ mischte sich der Neger ein und hob drohend die Eisenstange. „Lege dich auf den Boden!“
„Tun Sie ihm nichts!“ flehte Frau Hadley. „Er ist ein alter Mann. Er kann Ihnen ja nichts tun. Mir ist ja nichts geschehen.“
Der Neger begab sich, nachdem er Hadleys Füße erneut gefesselt hatte, wieder nach unten. Hadley konnte hören, wie er sich im Wohnzimmer zu schaffen machte. Kurz danach hörte Hadley, wie der andere Bandit ihn warnte.
„Rühr ja den Silberschrank nicht an, der hat eine elektrische Alarmvorrichtung!“
Fünf Minuten danach rief einer von unten herauf:
„Komm runter, wir türmen!“
Der Halbwüchsige warnte seine Opfer noch:
„Rührt euch nicht und versucht nicht zu schreien, oder ihr fliegt in die Luft!“ Dann rannte er die Treppen hinunter. Eine Minute später hörte Hadley, wie die Haustüre ins Schloß fiel. Die Banditen hatten das Haus verlassen. Mit einer Beute an Juwelen im Werte von zehntausend Dollar und etwa fünfzehntausend Dollar in barem Geld und Wertpapieren. Unter anderem gehörte zu ihrer Beute ein Betrag von mehreren hundert Dollar in Goldmünzen; im Jahre 1919, kurz nach dem Krieg, ein recht rarer Artikel.
Neben dem Schlafzimmer des Ehepaars schließ das fünfjährige Enkelkind der Hadleys, das während der ganzen Vorgänge nicht wach geworden war. Als die Banditen das Haus verlassen hatten, begann Frau Hadley zu schreien und zu rufen, bis das Kind endlich erwachte und herbeilief. Frau Hadley sagte dem Kleinen wo er eine Schere finden könne und veranlaßte ihn, ihren Mann aus seinen Fesseln zu befreien. Hadley befreite sofort auch seine Frau und stürzte als Telephon.
Er mußte feststellen, daß sowohl die Hauptleitung, als auch die Abzweigung nach seinem Schlafzimmer völlig zerstört worden waren. Hastig zog er sich an und lief zu einem Nachbar. Es nahm aber beinahe eine halbe Stunde in Anspruch, bis es ihm gelang im Nachbarhaus jemanden zu wecken und er in der Lage war, die Polizei anzurufen.
Zwanzig Minuten später wimmelte es im Hause von Polizisten, aber die Räuber waren natürlich längst über alle Berge.