Die drei Schatten (1919) – Ein Detektiv-Bericht von Leo Brunner – Teil 1

Am 26. Mai 1919, gegen drei Uhr morgens, lag E. W. Hadley ahnungslos im Bett und war im Begriff eben in das Reich des Schlafs hinüberzugleiten. Seine Frau, im Bett nebenan, schlief schon. Plötzlich öffnete sich die Tür des Zimmers und drei Gestalten glitten herein, die im ersten matten Morgendämmern nur als geduckte Silhouetten zu erkennen waren.

Hadley hatte den Eindruck, daß eine Halluzination ihn heimsuche. Er war zunächst unfähig den Mund zu öffnen oder zu handeln. Erst als die Schatten sein Bett umgaben, streckte Hadley die Hand zu seiner Frau hinüber, um sie zu wecken.

Mund halten!“ schnauzte jemand. Gleichzeitig wurde das Licht eingeschaltet. Die Lähmung, die sich Hadleys bemächtigt hatte, ließ etwas nach. Wenigstens hatte er jetzt die Gewißheit, mit Wesen von Fleisch und Blut zu tun zu haben. Er besah sich die ungebetenen Besucher etwas genauer.

Der erste war ein mittelgroßer Strolch zwischen fünfunddreißig und vierzig Jahren, er mochte etwa 1,70 m messen. Sein Gesicht war brutal und hart.

Der zweite war ein Neger (der Begriff wird hier nicht rassistisch gebraucht!!!), länger und schlanker von Wuchs. An brutalem Aussehen gab er seinem Gefährten nichts nach. Beide hielten Revolver schußbereit in der Faust.

Im Gegensatz dazu war der dritte Bandit, der als Waffe eine an einem Ende mit einem Lappen umwickelte Brechstange trug, ein Junge, der kaum die Kinderschuhe ausgetreten hatte. Er war kleiner und dünner als die beiden anderen. Sein Gesicht machte keinen überintelligenten Eindruck.

Der Älteste schien der Anführer zu sein.

Zieht ein Laken aus dem Bett und reißt´s in Streifen“, befahl er seinen Gefährten.

Der Halbwüchsige zerrte ein Bettuch aus dem Bett und zerriß es, unterstützt von dem Neger, in gleichmäßige, etwa zehn Zentimeter breite Streifen. Dann warfen sie die Bettdecken ihrer Opfer zurück. Ein Bandit fesselte Hadley, der Halbwüchsige Hadleys Frau. Und zwar wurden ihnen sowohl die Füße zusammengeschnürt, wie die Hände auf den Rücken gebunden.

Als Frau Hadley – die vor Angst halb ohnmächtig war – sich in ihren Fesseln nicht mehr rühren konnte, packte der Halbwüchsige sie bei den Schultern und schleuderte sie kurzerhand auf den Boden. Sie verletzte sich bei dem Sturz am Rücken und an der Hüfte, und blieb stöhnend liegen, doch kümmerte sich niemand um sie und sie mußte, nur mit ihrem Nachthemd bekleidet, auf den kalten Eichenbrettern des Bodens liegen bleiben, solange die Räuber am Werk waren.

Solange sich die Banditen im Haus befanden, fiel zwischen ihnen kein überflüssiges Wort, lediglich knappe Befehle und Fragen, die mit deren Tätigkeit in Bezug standen. Man gewann sofort den Eindruck, daß jede Einzelheit der Aktion bereits im voraus sorgfältig geordnet und jedem Mitglied der Bande seine Rolle zugewiesen worden war.

Die Erzählung wird in dem Buch „Phantome der Unterwelt“ im April 2015 im Verlag Kirchschlager veröffentlicht.

Dieser Beitrag wurde unter Kriminalfälle veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.