Johann Christoph Eggert, ein tauber und stummer Mörder (Klinz bei Magdeburg, 1727)

Im Februar des Jahres 1727 fand man im Magdeburgischen unweit dem Dorfe Klinz, das Eheweib des dortigen Hirten Reiniken ermordet. Der Körper war ganz entblößt, der Kopf abgeschnitten und an einen Baum gehängt. Der linke Arm war oben von der Haut abgeschnitten und abgedreht. Der Leib von oben bis unten an das weibliche Geburtsglied auf- und der Magen durchschnitten. Das Eingeweide war untereinander gerissen und am ganzen Körper befanden sich über 42 Wunden und Stiche. Johann Christoph Eggert, ein Taubstummer und damals 27 Jahre alt, geriet bald in Verdacht, der Mörder zu sein. Bei seiner Festnahme wollte er entfliehen. Seine Hosen zeigten Merkmale von Blut, welches mit Dreck beschmiert war. Er behauptete durch Zeichen, diese Flecken von Nasenbluten und den geschlachteten Fischen, die er getragen hatte, bekommen zu haben.

Bei der Vernehmung durch den Arnsburger Bürgermeister Zerne und Herrn Riedeln, von denen der erste selbst einen stummen Bruder hatte, leugnete er alles. Eggert blieb auch auf der Stelle, wo die Mordtat geschehen war, und ungeachtet, daß er den Körper mit Seufzern anrührte und gen Himmel sah, beim Leugnen. Einige Tage darauf ging Bürgermeister Zerne zu dem Inquisiten in die Wachstube und fragte ihn von neuem. Er vertraute diesem nunmehr an, daß er den Mord getan hatte, bat ihn aber, es niemandem zu sagen. Wie Riedel ihn anschließend mit Zerne zusammen befragte, wollte er es leugnen. Es bedeutete ihn aber derselbe, daß er den Mord ja bereits dem Bürgermeister Zerne gestanden hatte.

Über diese Verräterei machte er lächerliche Mienen, bat aber doch um seine baldige Loslassung und leugnete die Tat nicht weiter. Hierauf wurde der Inquisit mit großer Vorsicht und Geschicklichkeit über gewisse Artikel vernommen. Er bekannte nun durch deutliche Zeichen, daß er, wie ihm die Hirtenfrau begegnet war, seine Arme ausstreckte, sie umfaßte und mit der Hand auf den Backen streichelte, sie ihn aber mit ihrem Stecken von sich geschlagen hätte. Hierüber sei er böse geworden, habe das Weib zur Erde geworfen, sein Messer ergriffen, welches noch mit Blut befleckt war und das er aus drei Messern, die man ihm vorlegte, auswählte und es hinten in den Nacken der Ertöteten gestochen und damit rundherum geschnitten. Anschließend habe er der Hirtefrau die Kleider abgerissen, den Leib aufgeschnitten, sodann den linken Arm abgeschnitten und ihr die übrigen Wunden zugefügt. Er zeigte, daß er anschließend den Kopf aufgehängt hatte und mit den Kleidern der Ermordeten davon gegangen war. Er wies, aus welchen Röcken er das Geld zog, und gab dadurch an, daß er sich fünf Groschen von dem Geld abgesondert hatte. Nun nahm er einen Brief vom Tisch, ging in der Stube hin und her und gab zu verstehen, daß diese fünf Groschen sein durch Botenlaufen verdienter Botenlohn wären.

Die Inquirenten vernahmen den Eggert mehrmals, und er blieb bei seinen Zeichen. Die Juristenfakultät zu Halle erkannte, daß der Inquisit von der Todesstrafe zu verschonen sei, weil die Auslegungen der Examinanten (Verhörer), so zusammenhängend und richtig sie auch zu sein schienen, doch nur aus Vermutungen und wahrscheinlichen Schlüssen bestanden. Nichtsdestoweniger hielten sie es für ratsam, daß er zeitlebens zu leidlicher Arbeit in ein Zuchthaus müsse. Das Kriminalkollegium aber hielt noch die Untersuchung einiger Punkte für nötig. Nach deren Beendigung ergab sich daraus, daß der Inquisit in seinem zweiten Lebensjahr durch den Genuß des Schierlings (giftigste Sumpfpflanze) sein Gehör verloren und nie ein Wort gesprochen hatte, weder in der Kirche noch in der Schule unterrichtet, sondern beim Viehhüten, Kegelaufsetzen und Betteln groß geworden war.

Das Kriminalkollegium bestätigte hierauf das vorige Urteil, mit dem nicht passenden Zusatz, daß Johann Christoph Eggert vorher scharf mit Ruten am Pranger auszupeitschen sei. Der König (Friedrich Wilhelm I., 1713–1740) wollte dieses Urteil nicht vollziehen, weil der Mord klar war. Das Etatsministerium und drei Geistliche fanden dabei keine Bedenken. Die Akten wurden nochmals an eine Juristenfakultät, diesmal nach Helmstedt, versandt, die gleichergestalt diesem Urteil beitrat, jedoch sich nicht für die Züchtigung mit Ruten am Pranger aussprach.

Ein Mitglied der Fakultät, der berühmte Augustin Leyser, war anderer Meinung und hielt den Inquisiten für eine Todesstrafe qualifiziert. Er wurde aber glücklicherweise überstimmt. Die Fakultät erkannte hauptsächlich wegen der Dummheit des Inquisiten nicht auf die Todesstrafe. Leyser behauptete in seinem Gutachten, daß auch unvernünftige Tiere am Leben gestraft werden müßten.

Quelle: Mörder / Räuber / Menschenfresser

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