In Halberstadt kam ich zusammen mit der Kriminaltechnik des Polizeirevieres in einem Wohnblock zum Einsatz, in dem eine ältere Dame – scheinbar seit längerer Zeit ein Pflegefall – tot im Bett lag. Den Hinweis auf eine mögliche Straftat erhielt das Polizeirevier vom Hausarzt, der den Totenschein ausstellen sollte und dabei Strangmarken am Hals der Frau entdeckte. Am Ereignisort angekommen, erhärtete sich der Verdacht eines Verbrechens.
Wir nahmen die Leiche, die noch mit Nachthemd bekleidet im Bett lag, in Augenschein und stellten tatsächlich mehrere übereinandergelagerte Strangmarken am Hals fest. Sie schienen auf eine Erdrosselung durch fremde Hand hinzuweisen. Die Drosselmarke ging zirkulär in gleicher Höhe um den Hals und bildete sogar die Metallschnalle ab. Spurenkonform fanden wir in den Bindehäuten der Augen punktförmige bis kleinfleckige Blutungen. »Hier hat jemand nachgeholfen«, grübelte ich halblaut, was mein Kollege mit einem Kopfnicken bestätigte und sich sogleich nach dem Ehemann umdrehte.
Den älteren Ehemann nahm eine Kollegin daraufhin zur Seite und befragte ihn behutsam. Ihr Fragen wurde jedoch zusehends energischer – sein vehementes Schweigen als Täter verriet ihn! Als Beschuldigter war es wiederum sein gutes Recht. Als der Kollege und ich jedoch unter einem der Kissen diverse Ledergürtel in unterschiedlichen Breiten und vor allem mit neu durchgeschlagenen Löchern fanden, gab er sein Schweigen auf und weinte bitterlich: »Sie wollte es doch so, und dann dauerte es auch so lange.« Er hatte sie allem Anschein nach mit ihrem Einverständnis erdrosseln wollen, was aber zunächst nicht so gelang, wie er sich das vorgestellt hatte.
Jedes Mal, wenn er längere Zeit die Gürtelschlinge zuzog, verließen ihn die Kräfte und seine Frau zog wieder Luft. Er wechselte daraufhin die Gürtelbreiten von breit auf schmal,
was aber auch nicht zum gewünschten Erfolg führte. Es muß eine unbeschreibliche Tortur gewesen sein! Ich erinnerte mich dabei an meinen Vater, der einmal sagte: »Unser Hund
hat heute mal wieder eine Katze totgemorkelt«, womit er »langsam und qualvoll zu Tode gebracht« meinte. Nach mehrmaligen Versuchen mit den verschiedensten Gürteln begab er sich Mitternacht verzweifelt in den Hobbykeller und bearbeitete einen der Gürtel so lange mit dem Locheisen, bis Loch an Loch saß. Nun war es ein Leichtes, die Schnalle an der geeignetsten Stelle zu arretieren. Kurzes Warten. Endlich war seine Frau von den Qualen ihres langen Leidens befreit.
Nach seinem Geständnis holte der Mann bereitwillig seine Jacke. Uns blieben nur die vorläufige Festnahme und die Beschlagnahme des Tatortes. Der über 80jährige wurde in die JVA verbracht, nach einigen Tagen jedoch in Absprache mit der Staatsanwaltschaft wieder entlassen. Gestraft war er ja ohnehin mit dem Wissen, seine Frau nach 60 gemeinsamen Ehejahren getötet zu haben.