Küchenordnung des Grafen Christian Ernst zu Stolberg vom 8. Oktober 1735

Es mag vielleicht kurios anmuten, aber ich möchte diese hochinteressante Küchenordnung den Freunden der Rechtsgeschichte und vielen Hobbyköchen nicht vorenthalten. Ich fand sie vor wenigen Tagen inmitten meiner Sammlung barocker Rezepte. Als Verhaltensmaßregel befahl der Graf seinen Küchenbediensteten, daß

1. Ein jeder überhaupt seine Pflicht und Schuldigkeit wohl wahrneme, und sich fleißig erinnere, daß er sich dazu durch einen teuren Eid verbunden habe, und durch dessen Versäumnis sich zeitlich und ewige Strafe über den Hals ziehe. Das auch dieselben

2. Nicht allein das, was ihnen anvertraut, wohl in Acht nehmen, davon so wenig selbst etwas entwenden, oder verderben lassen, als solches andern nachsehen, sondern wenn sie einige Untreue oder Nachlässigkeit an andern verspüren sollten, solches gehörigen Orts ansagen, und wer dieses unterläßt und überwiesen werden kann, gleich den Mißhändlern gestraft werden soll. Wie nun

3. Zur Verhütung aller Unreinlichkeit, auch Diebstahls und Abschleppens aus der Küche, keiner, der darinnen nichts zu befehlen oder von Uns und den Oberen dahin geschickt wird, in derselben geduldet, sondern von dem Küchenschreiber oder den Köchen heraus gewiesen, und wenn dies nichts helfen wollte, solches sogleich Unserm Hofmeister angezeigt werden und mit wirklicher Bestrafung verfahren werden solle. Also hat

4. Der Küchenschreiber, wie viel Personen, sowohl an Unserer Tafel, Bei- und anderen Tischen täglich zu speisen sind, auf den Speisezetteln jedesmal voraus zu setzen, wenn aber jemand verschickt ist, hat solches kurz vor dem Essen der Fourier bei Uns oder Unserm Hofmeister zu erfragen und der Küche wissend zu machen. Weil wir auch

5. Mittags um 12. des Abends um 7 Uhr zur Tafel gehen und speisen, die Bei- und andere Tische aber eine Stunde vorher anzurichten sind: So soll der Koch, an welchen die Woche ist (d. h. wer Dienst in der Woche hat), um 6 Uhr früh in der Küche sein, zuerst alles Kochgeschirr visitieren, daß solches vollkommen rein gewaschen und gesäubert sei, und wenn er das Gegenteil findet, solches dem Küchenschreiber ansagen, der die Küchenmägde zu ihrer Schuldigkeit anhalten soll.

6. Sollen die Köche das ihnen zur Bereitung übergebene Fleisch und andere Essen zu rechter Zeit selbst ansetzen, nachdem alles vorher reinlich zubereitet ist, damit auf ¾ auf 12 Uhr (indem wir um 12 Uhr speisen wollen) alles zum Anrichten parat sei. Wie sie dann vornemlich auch dahin zu sehen haben, daß beim Feuer keine überflüssige Holz-Consumtion in der Küche vorgehe. Wenn

7. Gekleppet wird, sollen Unsere Köche alles reinlich anrichten, vor dem Anrichten aber mit Fleiß dahin sehen, daß die Anrichtebank nebst allen Kellen und Anrichtegeschirren völlig abgescheuert und gewaschen, vornemlich auch die Schüsseln reinlich und blank sein mögen, zu den Anrichten den Küchenschreiber rufen, daß dieser sehen möge, ob sich alles in gehöriger Ordnung befinde. Und wie Wir

8. Nicht wollen, daß so wenig auf Unserer Tafel als auf anderen Tischen angegangenes Fleisch, Butter, Fett oder andere Speisen gebracht werden sollen, die ekelhaft oder unrein wären. Also sollen Unsere Köche dergleichen nicht annehmen oder dafür mit Strafe angesehen werden, wenn dergleichen auf der Tafel oder anderen Tischen gefunden wird.

9. Ordnen und befehlen Wir hierdurch, daß künftig auf Unsere Tafel, wenn wir allein und ohne Fremde sind (Immassen bei Anwesenheit fremder Herrschaften oder anderer Personen, die Anzahl der Schüsseln allzeit besonders zu verordnen sind) 8 Essen gegeben und davon 4 in Schüsseln und 4 in Portasietten, des Mittags und Abends angerichtet werden sollen. Die Suppen sind

10. Von Fleischbrühe und anderen guten Sauses und im Sommer mit guten Gartengewächsen und Kräutern, zur Verwechslung der Gewürze schmackhaft zu machen. Die übrigen Essen aber, nach der Saison und jedesmaliger Abfassung der Küchenzettel, an Wildpret, Fleisch, Gemüse, Fische, Gebackenes und dergleichen gut zuzurichten, und hat Unser Küchenschreiber auf jede Person ¾ Pfund Rindfleisch und ½ Pfund Wildpret oder anderes Fleisch zu nehmen, wovon jedoch die Braten, die in ganzen Stücken gegeben werden, eximiert sind.

11. Dem Beitisch soll alle Mittag Mahlzeiten 4 Gerichte und zwar: 1. Eine Suppe. 2. Ein Gericht frisches Fleisch. 3. Ein Zugemüse und 4. Ein Beiessen, anstatt desselben aber wöchentlich dreimal Braten oder Gebackenes. Wie auch des Abends 1. Eine Suppe. 2. Hammel oder Kalbfleisch oder auch wohl Hühner und es soll auf jede Portion ½ Pfund Fleisch oder auf 3 Personen ein Alt-Huhn gerechnet werden. 3. Ein Beiessen und 4. Butter, Käse oder Salat gegeben werden.

12. Die Wasch- und anderen Mägde sollen täglich 1. Eine Suppe. 2. Frisches Fleisch oder Wildpret und zwar auf jede Person ¾ Pfund. 3. Ein Gemüse oder an dessen statt wechselweise Butter oder Käse und zweimal in der Woche Braten mit haben. Bei den übrigen Speisen wollen wir kein Gewicht oder Zahl ansetzen, sondern dies auf Unseres Küchenschreibers Pflicht, ankommen lassen. Wie Wir nun

13. Wollen und ernstlich befehlen, daß ein jeder, der bei Unserm Hof gespeist wird, sowohl mit reinlichen wohlgekocht und zubereiteten Speisen versehen und gesättigt werden soll: Also ist und bleibt auch Unser Wille und Befehl, daß aller Überfluß, Abschleppen und Benaschen bei ernstlicher Strafe abgestellt und verboten sein soll. Demnach sollen

14. Die Köche mit Gewürzen und Zucker, auch Butter, Schmalz und anderm Fette ratsam umgehen und weiter nichts, als was die Notdurft erfordert, gebrauchen. Es sollen auch die Köche bei schwerer Strafe keine Butter oder Fett, nach den alten bösen Gewohnheiten, in das Feuer gießen und damit das Feuer brennend machen, wohl aber sollen sie dahin sehen, daß

15. Auch mit der Feuerung ratsam umgegangen, vor der rechten Zeit kein Feuer angemacht und wenn ein Feuer nicht mehr gebraucht wird, ausgetan oder zu andern nötigen Feuern gelegt und niemals unnötig Feuer gehalten werde.

16. Sollen die Köche an Speisen weiter nichts zurückbehalten als was zu ihrer Notdurft gehört und sollen zusammen mit dem Küchenschreiber, wenn die Tafel angerichtet ist, essen, niemanden aber zu sich ziehen und in der Küchenstube ohne besondere Erlaubnis mit sich essen lassen und was übrig bleibt wieder in Verwahrung bringen.

17. Soll die Silber-Wäscherin die Schüsseln und Teller, die auf Unserer Tafel und dem Beitisch gebraucht worden, waschen und säubern und am Ende, währender Tafelzeit sich beständig bei dem Aufwaschkessel befinden, was auf den Tellern noch befindlich, und für die Armen noch zu gebrauchen ist, nicht ins Wäschfaß werfen, sondern reinlich verwahren und zur Austeilung für die Armen dem Küchenschreiber zustellen.

18. Sollen auch diese Unsere Verordnungen nicht allein bei Hof, sondern auch wenn Wir außerhalb auf Unsern Ämtern, Jagdhäusern oder andernwärts mit den Unsern Uns befinden sollten, beobachtet werden, im übrigen werden Unser Küchenverwalter und Küchenschreiber auf die ihnen gegebene Instructiones verwiesen. Wir ermahnen und befehlen also jedermann, welchen diese Unsere Küchenordnung angeht, hierdurch nochmals, nach Möglichkeit derselben in allen Punkten treulich nachzukommen und sich vor Strafen zu hüten. Unser Hofmeister aber hat ohne Ansehen der Person darüber zu halten und durch den Küchenschreiber diese Verordnung quartaliter öffentlich verlesen zu lassen.

19. Sollen die Küchenmägde des Abends nicht allein die Küchen- und Backstuben, Küche und Heerd, Anrichte- und alles Küchengeschirr ordentlich kehren und reinigen, sondern sollen auch in Beisein des Küchenschreibers die Speisegewölbe und in denselben die Schränke, andere brauchbare Gefäße und Waageschalen reinigen und ausscheuern, damit alle dahin gesetzten Viktualien und kalten Speisen, welches alles der Küchenschreiber verdeckt halten muß, von Staube und aller Unreinlichkeit befreit bleiben könne.

Urkundlich haben Wir diese Unsere Küchen-Ordnung eigenhändig unterschrieben und besiegelt, so geschehen den 8. Oktober 1735. Christian Ernst / Graf zu Stolberg

Anmerkung: Heute befindet sich Schloß Stolberg glücklicherweise in Trägerschaft der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und kann teilweise besichtigt werden. Nachdem sich ein Privatinvestor „verspekuliert“ hatte, drohte dem stattlichen Schloßbau des Ende (Schwamm). Die Stadt Stolberg ist sehr sehenswert. Empfehlenswert ist das Museum zur Stadtgeschichte, die Stolberger Lerchen (eine Art Knackwürste) mit Grünkohl und das „Fewi“ oder „Fiwi“ (?), ein Kaffee mit tollem Kuchen. Stolberg ist auch die Geburtsstadt des großen Bauernführers Thomas Müntzer. Kurzum: Stolberg gefiel mir bald besser als die „Welterbestadt“ Quedlinburg, wo der Massentourismus schon die Preise verdorben hat…
Auf der Quedlinburger Burg steht der stattliche hölzerne „Gefängniskasten“ (eine Art transportabler „Stock“) Raubgraf Albrechts von Regenstein und eine gewaltige Wallarmbrust aus dem 14. Jahrhundert. Die Gefangennahme des Regensteiners wurde auch in einem Wandbild verewigt, welches ebenfalls auf der Burg zu sehen ist (Kopie). „Der Stadthauptmann von Quedlinburg“ wurde zu DDR-Zeiten in einem historischen Roman literarisch gewürdigt.

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