Thüringer Mörderinnen – Rezension

Wiederum hat der Rudolstädter Archivar Frank Esche und mit ihm der Kriminalhistoriker Wolfgang Krüger eine äußerst aufschlussreiche und zugleich spannende Lektüre vorgelegt. In diesem Pitaval werden 21 seinerzeit aufsehenerregende Kriminalfälle analysiert und dargestellt. Thüringer Mörderinnen


Der vor allem Fernseh-Krimis gewohnte Leser mag bei der Lektüre vielleicht etwas enttäuscht darüber sein, dass sich das im Buch Dargestellte recht sachlich, scheinbar emotionslos vollzieht. Doch man muss berücksichtigen, dass es sich hier nicht um Fantasieprodukte, sondern um die Wiedergabe tatsächlich geschehener Ereignisse handelt. Dazu waren von den Autoren in äußerst mühevoller und akribischer Arbeit die Dokumente der einzelnen Fälle in Archiven zu sichten, auszuwählen und aufzubereiten, Tathergänge und Prozessabläufe zu rekonstruieren. Nicht zuletzt galt es, Motive und Hintergründe präzise darzulegen, also die Frage, welche Umstände und gesellschaftliche Situationen, welche Verzweiflung Frauen dazu bewegen konnte, dem Geliebten, dem Ehepartner oder gar dem eigenen Kind, also dem Liebsten, das Leben zu nehmen. Die dargestellten Kriminalfälle ereigneten sich schließlich in gesellschaftlichen Situationen, in die wir uns heute nur noch schwer hineinversetzen können.
Das Werk ist also keinesfalls als ein Sammelsurium von Intrigen, Grausamkeiten und menschlichen Entartungen zu verstehen. Vielmehr wird dem aufmerksamen Leser am Beispiel verfehlten Handelns ein Einblick in gesellschaftliche und soziale Hintergründe und Mechanismen gewährt. Die Autoren skizzieren ein Stück Rechtsgeschichte und Rechtsprechung in Deutschland, speziell dem Thüringen der Grafen und Fürsten, aber auch der Weimarer Zeit und im sogenannten Mustergau der Nationalsozialisten. Bezeichnend dabei ist, dass in allen dargestellten Fällen prinzipiell Männer über Frauen richteten. Die Tiefgründigkeit und Stärke des vorliegenden Buches liegt darin, soziale und gesellschaftliche Hintergründe zu erhellen, welche Frauen, und nicht nur diese, dazu brachten, in menschliche Abgründe zu verfallen.
Die sprachliche Angemessenheit des Dargestellten erleichtert dem Leser den individuellen Nachvollzug des Geschehenen und verleiht gleichzeitig die gewünschte Spannung. Zahlreiche historische Abbildungen, Dokumente und wörtliche Wiedergaben vermitteln ein Flair jener Zeit. Alles in allem – eine empfehlenswerte Lektüre.

Dr. Hans-Georg Jochmann. Thüringer Mörderinnen. Frauenschicksale zwischen Liebe und Schafott. In: Rudolstädter Heimathefte 57. Jg. (2011) Heft 1/2 (Januar/Februar), Rudolstadt 2011, S. 51f.

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