Mord in der Distel-Bar – der historische Mordfall

Am 28. April 1964, gegen 4.30 Uhr, entdeckte der Inhaber der Flaschenbierhandlung in der Gartenanlage „Eiserne Brücke“ in Weimar, Karl Hoffmann, in seinem Haus (im Volksmund hieß es „Distel-Bar“) ein entsetzliches Verbrechen. In der Küche des Gebäudes fand er die Weimarer Einwohnerin Linna Hauck (54) aus der Belvederer Allee 18 ermordet auf. Die Frau war ihren starken Verletzungen an der Halsschlagader und mehreren Messerstichen erlegen. Frau Hauck war seit einiger Zeit in der Gaststätte während der Abwesenheit der Frau des Herrn Hoffmann beschäftigt. Herr Hoffmann hatte am Montag gegen 19.15 Uhr die Gaststätte verlassen um seiner Arbeit nachzugehen. Als er am frühen Morgen des Dienstags zurückkam, entdeckte er den Mord. Die von ihm sofort alarmierte Kriminalpolizei stellte fest, daß die Scheibe des Fensters zum Schlafzimmer des Hauses An der Klinge 4 eingeschlagen war. Im Haus selbst herrschte ein wüstes Durcheinander. Der Tod der Frau trat nach Meinung des Gerichtsmedizinischen Institutes Jena gegen 24 Uhr ein. Sie muß von dem Mörder im Schlaf überrascht worden sein.

Die VP-Kräfte fanden schnell das Tatwerkzeug. Dabei handelte es sich um einen nagelneuen Hirschfänger, in dessen Heft ein Kompaß eingelassen war und an dem sich noch das Preisschild befand.

Durch den Stadtfunk wurde auch die Bevölkerung zur Mithilfe aufgerufen. Folgende Fragen waren für die Polizei von besonderem Interesse: Wo und von wem wurde der Hirschfänger gekauft? Wer kennt jemanden, der einen neuen Hirschfänger besaß? Wer kann Angaben über diejenigen machen, die in der „Distel-Bar“ verkehren? Wer hat in der Nacht vom Montag zum Dienstag in oder in der Nähe der Kleingartenanlage etwas Verdächtiges oder Verdächtige bemerkt? Als der Besitzer die Gaststätte verließ, befanden sich noch zwei gut angezogene männliche Personen von kräftiger Statur in dem Raum, die dort Bier tranken. Wer kannte die beiden?

Binnen kurzer Zeit gingen bei der VP über 50 sachdienliche Mitteilungen ein. Mehrere von diesen führten die Ermittler auf die richtige Spur.

Hauptmann Rudi Kirchner, der Chef der Weimarer Kriminalpolizei, der die Ermittlungen unter Einsatz damals modernster Technik Tag und Nacht leitete sagte gegenüber den Thüringer Neuesten Nachrichten: „Leider kommt es noch hin und wieder zu solchen Verbrechen, die von primitiven Außenseitern unserer Gesellschaft verübt werden. Jedoch sind Morde bei uns zu Einzelerscheinungen geworden. Bei dem Täter handelte es sich um ein asoziales Element. Er war während seiner Schulzeit mehrmals sitzengeblieben, kann kaum schreiben und lesen. 1955 hatte Wolfram die DDR illegal verlassen, um nach einem Jahr zurückzukommen. Bis zum 2. April dieses Jahres arbeitete Wolfram in Weimarer landwirtschaftlichen Betrieben; dann trat er eine neue Stelle auf einem VEG in Halle an. Da er in Geldschwierigkeiten war, beschloß er, nach Weimar zu fahren und in dem Gartenhaus, in dem sich auch ein Bierausschank befand, einzubrechen und die Besitzer zu berauben. Dort traf er auf Frau Hauck, die er kaltblütig hinterrücks und vorsätzlich mit einem neuen Hirschfänger erstach. Wolfram durchwühlte die ganze Wohnung, brach eine Geldkassette auf und ließ mehrere hundert DM mitgehen.“ Als die Tote gefunden wurde, bot sie einen grauenhaften Anblick.

Mit Hilfe des Fährtenhundes Gero konnte festgestellt werden, daß der Verbrecher zur Irreführung zunächst den Weg in Richtung Lützendorfer Kaserne wählte, dann aber zum Bahnhof ging. Er hielt sich noch bis Dienstag in Weimar bzw. Erfurt auf, wo er sich neu einkleidete. Als er am Mittwoch gegen 8 Uhr in seiner Wohnung in Halle eintraf, erfolgten seine Festnahme und die Sicherstellung wichtiger Beweismittel. Der 25jährige Täter Lothar Wolfram wurde zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.

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