Das hat es unter Hitler nicht gegeben, so hört man öfter ältere Leute sagen, wenn wieder ein besonders scheußliches Verbrechen die Schlagzeilen beherrscht. Diese Auffassung wird dann noch gelegentlich mit dem Hinweis auf die abschreckende Wirkung der Todesstrafe verknüpft.
Das beides völlig irrige Annahmen sind, zeigt die vorzügliche Kriminalchronik des Dritten Reichs von Wolfgang Krüger. Hier findet man die ganz normalen Kriminalfälle, welche die Bürger im nationalsozialistischen Deutschland erregten. Ob diese Bürger dann auch meinten, dass es so etwas unter dem Kaiser nicht gegeben hätte, sagt uns der Autor nicht, aber beschreibt sehr anschaulich die Zeitumstände und die Hintergründe der jeweiligen Taten. Seine Hauptquellen sind Berichte der Lokalzeitungen, die trotz Pressezensur sehr offen über die Fälle berichteten. Dies nicht ohne Grund, denn so wollten die Machthaber demonstrieren, dass gegen Gewaltverbrecher anders durchgegriffen wird, als in der vermeintlich laschen Weimarer Republik. Und so endeten auch alle der beschriebenen Fälle mit der Hinrichtung der Täter.
Hiier wird einmal die politische Dimension der Justiz in Dritten Reich deutlich, die der Autor nur in Ansätzen berührt. Krüger gelingt es, das Bild des vermeintlich kriminalitätsarmen national-sozialistischen Staates zu erschüttern und es zeigt sich, dass vom Raubmord über Serienmörder bis hin zum Sexualmord an Kindern die gesamte traurige Bandbreite der Schwerkriminalität existierte.
Im ersten Band, der die Jahre 1933-1937 umfasst schildert Krüger 20 Fälle wie den des Brockenmörders, der fast den Tourismus im Harz zum Erliegen brachte.
Fast schon beklemmend modern und aktuell erscheint der Fall einer Frau, deren Kinder aus Vernachlässigung verhungerten, während sie tanzen ging.
Für mich besonders beeindruckend der Fall des Raubmordes an einen jüdischen Geschäftsmann. Hier verhängte die Justiz mit Begründung, auch Juden seien nicht vogelfrei, die Todesstrafe. Dieser Täter wurde von Hitler jedoch begnadigt.
Man kann aus diesem Buch viel über das Alltagsleben im dritten Reich und über die Arbeitsweise von Justiz und Polizei lernen. Immer wieder erkennt man jedoch, wie sich der Machtanspruch des totalitären Staates auch in diesen Bereich auswirkt. Im zweiten Band ( 1938 – 1945) wird dies noch deutlicher.
Ein wirklich empfehlenswertes Buch: Spannendes Thema, Gut und anschaulich geschrieben, hochwertig gestaltet und ausgestattet.
5 Sterne, Rezension von: Martin „mawabo“, Top-1000-Rezensent