Heute vor 200 Jahren: Letzte Hinrichtung in Arnstadt

Vor 200 Jahren: Die Hinrichtung des Giftmörders Johann August Taubert aus Dosdorf am 4. Oktober 1811 von Andrea Kirchschlager

Der aus Dosdorf stammende Zimmermannsgeselle Johann August Taubert, 26 Jahre alt, Gottfried Tauberts jüngster Sohn, hatte am 24. Mai 1809 die von ihm geschwängerte Johanna Dorothea Elisabetha, Christian Friedrich Lichts aus Dosdorf jüngste Tochter, auf Anordnung des Konsistoriums geheiratet. Am 20. August 1809 kam Sohn Johann Christoph auf die Welt. Nach beider Bekenntnis führten sie keine friedliche Ehe.

Taubert hatte Ratten- und Mäusegift von einem Kammerjäger aus Rudisleben unter den Vorwand bestellt, daß sein Meister in Stadtilm solches benötigt und am 15. September 1810 eine Quantität vor 3 g.,  soviel wie in einen kleinen Eßlöffel geht, gekauft.

Bei der kurz vor ihren Hinscheiden erfolgten Vernehmung gab sie an, daß sie am 20. September, als ihr Mann nach Stadtilm an die Arbeit gehen wollte, ihm eine Schüssel voll Kartoffelsuppe angerichtet, für sich aber etwas im Topfe zurückgelassen und auf den Herd in die Küche gesetzt hatte. Während ihr Mann aber noch gegessen hatte, schickte er sie mit Werkzeug zu seinen ältesten Bruder und wie sie wieder zurückgekommen war, sei ihr Mann fortgewesen. Danach ging sie sorglos zu ihrer Suppe, fängt an zu essen und gibt auch ihrem säugenden Kinde etwas davon. Der besondere Geschmack der Suppe sowohl, als das bei ihrem Genusse bemerkte Knirschen zwischen den Zähnen hielt sie von dem weiteren Genuß ab. Auch sah sie etwas wie zerstoßne Eierschalen in der Suppe. Unmittelbar nach dem Genuß der Suppe erfolgten die gewöhnlichen Wirkungen der Arsenikvergiftung, Brennen im Halse und Magen, Angst, Erbrechen, welche mit großer Heftigkeit den ganzen Tag anhielten, ohne daß die Frau irgend ein kräftiges Mittel dagegen anwendete. Erst abends um 8 Uhr wurde der Fall, dem Physicus Dr. Beyer gemeldet, der ein Brechmittel und nach demselben Öl, Milch und Seife verordnete. Nach 30 Stunden entsetzlichster Schmerzen verstarb sie trotz ärztlicher Hilfe am 21. September 1810 im Alter von 22 Jahren und „es ist noch ein Wunder, daß das säugende Kind noch hat gerettet werden können und solches dem Todte entkommen ist.“ Bei der Sektion fand man die gewöhnlichen Folgen der Arsenikvergiftung, Brand und Entzündung im Magen und Darmkanal, sowie noch sechzehn Gran weißen Arsenik.

Taubert wurde im Längwitzer Torturm inhaftiert und zeigte beim Verhör unter Tränen viel Reue.

Das erste eingeholte Urteil der Königlich Sächsischen Hofgerichts und Schöppenstuhls zu Wittenberg kam zu dem Ergebnis, daß Taubert „mit dem Rade vom Leben zum Tod“ zu bringen und „nach dessen Vollstreckung der Körper, Anderer zum Abscheu auf ein Rad zu legen und zu flechten“ sei.

Der Landesherr Fürst Günther Friedrich Carl I. von Schwarzburg-Sondershausen bestätigte das Urteil,  hatte aber „gnädigst entschloßen, daß der Inquisit Taubert Statt mit dem Rade, durch das Schwerdt vom Leben zum Tode gebracht“ werden sollte.

Taubert richtete an den Fürsten ein Gnadengesuch um „eine gelindere Strafe für mich bewürken zu wollen“ und „um nochmalige Milderung“, mit der Bitte „in tiefster Unterthänigkeit auch dieses Mal Gnade für Recht ergehen zu laßen, und einen durch das eiserne Schicksal verdammten Menschen das Leben gnädig zu schenken“.

Das Gnadengesuch wurde abgelehnt, aber der Fürst genehmigte Taubert die Einholung eines zweiten juristischen Gutachtens. Das Urteil der Juristenfakultät der Königlich Westfälischen Friedrichs Universität Halle lautete auch auf Vollziehung der gemilderten Todesstrafe.

Doch Taubert bestand noch auf einem dritten Gutachten. Er hoffte inständig nicht hingerichtet zu werden, sondern eine lebenslange Zuchtshausstrafe zu bekommen. Sein Verteidiger machte ihm wenig Hoffnung auf ein milderes Urteil mit der Bemerkung, daß „ein schneller Todt einem schmachvollen Leben an der Kette und im Karren weit vorzuziehen wäre“. Der Landesherr genehmigte ihm ein nochmaliges, aber letztes Gutachten, da „von einem Hauptverbrechen und einer Todesstrafe die Rede ist, auch weil es vielleicht zur Beruhigung des Inquisiten dient oder ihn wenigstens ein nochmaliges Erkenntniß noch mehr überzeugen wird, wie gerecht die ihm bereits zu erkannte Strafe ist“.

Das dritte Urteil der Juristenfakultät der Georg-August Universität zu Göttingen bestätigte die beiden ersteren, Taubert von der „ihm zuerkannten wohlverdienten Todesstrafe um so weniger zu befreyen, da das von ihm begangene höchst schwere Verbrechen der Tödtung seiner eigenen Ehefrau, wobei er auch zugleich das Leben seines Kindes mit in Gefahr gesetzt, eine eindrucksvolle Strafe erheischet“.

Da der Arnstädter Scharfrichter Kritzler während seiner Tätigkeit noch keine Enthauptung durchgeführt hatte –die letzte Hinrichtung fand in Arnstadt mit der Enthauptung des Raubmörders Remus aus Hausen am 19. Januar 1779, also 32 Jahre zuvor, statt, erklärte sich der Scharf- und Nachrichter Johann Friedrich Kratzmüller aus Weißensee bereit, Taubert zu enthaupten. Der 4. Oktober 1811 wurde als Termin für die Hinrichtung bestimmt. Die Exekution sollte auf den Marktplatz stattfinden, das Radflechten aber auf der Fehmstätte des sogenannten neuen Gerichts am Elxlebener Wege.

Eine öffentliche Hinrichtung war ein seltenes, wenn auch makaberes Ereignis. Der Arnstädter Chronist Hatham schrieb, daß „sich zu dieser Decollation aus der Nähe und Ferne so viele Fremde als Zuschauer eingefunden, daß auf dem Markte sogar die Dächer der Häuser abgedeckt werden mußten, um den Schaulustigen Plätze zu bereiten.“.

Für die Bewirtung der Menschenströme waren in der Stadt waren 380 Eimer Bier (1 Eimer=72 Liter), also über 27000 Liter vorrätig, „sämtlich trinckbar und gut“.

Um während der Exekution für Ordnung und Sicherheit zu sorgen, beorderte man 155 Mann vom Fürstlichen Militär und 342 Mann der Stadt- und Landmiliz nach Arnstadt. Diese mußten die Hauptwache, das Schloß, die 4 Stadtthore und das Prinzenpalais bewachen, die Gerichtspersonen und den Inquisiten abholen, Rathauswachen stellen und patroullieren. Die übrig gebliebenen Truppen formierten sodann den kleinen Kreis um das Hochnotpeinliche Halsgericht und die übrig gebliebene Mannschaft der Stadt- und Land Miliz den großen Kreis um den Gerichtsplatz. Am Tage der Hinrichtung mußten um 8 Uhr alle Stadttore und das Fischtor geschlossen werden. Niemand durfte mehr hereingelassen werden. Auch ausreichend Sand zum Auffangen des Blutes mußte auf den Richtplatz gebracht werden.

Die Stadtvierleute, als Vertreter der Bürgerschaft aus den vier Stadtvierteln baten den Stadtrat, die Fürstliche Regierung zu fragen, die Hinrichtung nicht wie üblich auf dem Marktplatz stattfinden zu lassen, sondern an einem Ort außerhalb der Stadt, weil bei „Vollstreckung des Urtels eine ungeheure Menge von Menschen auf einem engen Punkte zusammendrängten und dadurch mancherley Unglück zu besorgen stehe, andern Theils aber ein solcher actus an dem Orte, wo Selbiger vollzogen worden, lange zeit einen höchst widrigen Eindruck zurücklasse und insbesondere Aberglauben und Furcht unter den Kindern verbreite“. Das Gesuch wurde abgelehnt.

Die Obermeister des Arnstädter Handwerks wurden mit der Herstellung aller zur Hinrichtung nötigen Gerätschaften beauftragt, und zwar die Zimmerleute Pfahl und Rad worauf der Körper zu flechten ist, die Schmiede Hammer, Nägel und Ketten, die Seiler Seile und Stricke, die Wagner Leitern und die Tischler Richtstuhl mit kurzer Lehne.

Die Hinrichtung folgte einem vorgeschriebenen Procedere. Mit der Raths Klängel wurde 8. Uhr Morgens zum ersten Mal geläutet und damit das hochnotpeinliche Hals Gericht angekündigt. Zum zweiten Mal wird halb neun Uhr geläutet, damit die Geistlichen samt Kurrentschülern sich bei der Frohnveste zur Abholung des Delinquenten einfinden und durch eine Eskorte zum Richtplatz begleitet werden. Zu gleicher Zeit werden die Gerichtspersonen, u.a. Ankläger, Landrichter und vier Gerichtsschöppen in einen kleinen Kreis auf den Markt eskortiert, wohin der Amtsdiener die Akten, das Schwert, den eisernen Gerichtshandschuh und das weiße Stäbchen voranträgt und vor des Landrichters Stelle auf den Tisch legt. „Zum dritten Mal wird  ¾ auf  9. Uhr geläutet bis der arme Sünder in den Kreis des Gerichts eingeht, wo das Läuten aufhört. Beim Halsgericht treten die den Delinquenten begleitenden Geistlichen im Kreis seitswärts, oder gehen mit den Schülern durch in den größern Kreis. Wenn darauf der Delinquent aus den kleinern Kreis in den größern geführt wird, begleiten ihn die Geistlichen wieder, lassen denselben nach Gelegenheit ein- oder zweimal in der Rundung herum gehen bis zum Richtstuhl. Nach geschehenen Schwertstreich werden die Geistlichen durch 2. bis 3. Mann Eskorte bedeckt und durch das Volk bis in ein selbst gewähltes Haus zur Sicherheit gebracht. Der kleine Kreis bleibt so lange geschlossen bis der Gerichtstisch mit Stühlen und übrigen Gerätschaften in Sicherheit und weg gebracht werden und schließt sich dann an den größeern Kreis an. Nach geschehener Enthauptung bleibt der Körper noch ¼ Stunde liegen und wird um denselben, den Nachrichter und seinen Gehülfen anderweit ein kleiner Kreis bis zur Abholung des Cadavers geschlossen, da hingegen der größere Kreis zur Deckung der Fehmstätte und daselbstiger Radflechtung des Missetäters abgeführt und beim Militär nach Kommando des Offiziers verfahren wird.“

Die Kosten der Hinrichtung beliefen sich auf rund 116 Reichstaler, ohne eventuelle Honorare der Gerichtspersonen und Geistlichen und wurden von der Fürstlichen Rentkammer und Landschaftskassen übernommen.

Die Hinrichtung des Giftmörders Taubert war die letzte Hinrichtung in Arnstadt.

Ein Augenzeugenbericht aus den Lebenserinnerungen der Rosalie Hübner, geb. Richter:

Eines aufregenden Tages erinnre ich mich noch aus meiner Kindheit. Ein Giftmörder sollte hingerichtet werden, es war dies seit vielen Jahren das erste Mal wieder in Arnstadt. In unsrer Familie war die Sache nicht viel erwähnt worden, aber schon den Abend vorher kam unser Mädchen mir der Nachricht nach Hause, daß eine Menge fremder Menschen zum Thore hereinströmten. Den andern Morgen war es noch viel schlimmer, auch an unsrer stillen Wohnung wogten die Menschen vorüber. Sogar mein Onkel aus Waltershausen kam unverhofft angefahren. Nun kamen auch meine Eltern auf die Idee mich kleines Mädchen das entsetzliche Schauspiel mit ansehen zu lassen. Ich wurde durch das Dienstmädchen zu meinem Onkel August geschickt, der auf dem Markte wohnte, dem Hause gegenüber war das Schaffot aufgeschlagen, mir wurde es unterwegs schon ganz Angst, durch die dichte Menschenmenge zu dringen. Kopf an Kopf standen sie. Ich bat das Mädchen vergebens, doch wieder umzukehren. Das Schaffot, ein großes Gerüst war mit schwarzem Tuch behangen. Das Armesünderglöckchen höre ich noch heute läuten. Der Delinquent sah im Gesicht womöglich noch weißer aus, als sein Anzug, der mit schwarzen Schleifen besetzt war. Mein Onkel, der Consistorialasseßor Kehl ging an seiner Seite, u. soll ihm tröstende Worte gesagt haben. Mein Onkel August, als Stadtsyndikus brach ein weißes Stäbchen entzwei, wohl über seinem Kopfe. Als es an das Köpfen durch das Schwerd ging, schwanden mir die Sinne. Es war ein Glück, daß ich von hinten gehalten wurde, sonst wäre ich ein Stück hoch auf die Straße gefallen.- Unser Arzt hatte mit der Uhr in der Hand daneben gestanden. Der Scharfrichter hatte ihm den abgefallenen Kopf gleich reichen müssen, damit der Arzt an den Augen sehen könne, wie lange die Besinnung wohl noch daure. Nicht weit davon hatten Frauen mit warmen Töpfen gestanden, worin sie das Blut des Gerichteten auffingen, um es ihren in der Nähe harrenden, mit der Epilepsie behafteten Kindern zu trinken zu geben. Diese wurden dann ein paar Stunden ohne Ruh und Rast herumgejagt, und sollten dadurch ihre traurige Krankheit verlieren.“

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