Philippine V., ein einundzwanzigjähriges Dienstmädchen, hatte (zum zweiten Mal) unehelich und zwar nachts im Keller, in dem sie schlief, einsam geboren. Das Kind lebte, wie unsere gerichtliche Obduktion nachgewiesen hat. Die gewöhnlichen, wenn auch erbarmungswerten, doch immerhin verbrecherischen Motive veranlaßten sie, das Kind zu töten. Sie holte zu diesem Zweck aus der über dem Keller liegenden Küche ein von ihr selbst zuvor zu häuslichen Zwecken geschärftes Tischmesser, verfügte sich damit in den Keller zu dem Kind zurück, und brachte ihm mit dem Messer mehrere Stiche bei, von denen einer das Rückenmark in den Halswirbeln zerschnitt, ein anderer die rechte Carotis durchstach.
Sie häufte nunmehr mit einem, im Keller befindlichen Spaten von dem gleichfalls dort liegenden Sand einen Hügel unter der Kellertreppe auf, versetzte zuerst dem Kind mit dem Spaten noch mehrere Schläge an Kopf und Brust, und verscharrte sodann die Leiche unter der Treppe. Der Fall konnte nicht unentdeckt bleiben. Aber wie sehr auch der Leichenbefund und alle Umstände gegen sie sprachen, so ist dennoch die V. bis zum Abschluß der Untersuchung aus ihrem System des hartnäckigsten Leugnens nicht herausgetreten.
Sie behauptete namentlich, das Kind tot geboren zu haben, sie wollte das Messer nur geholt haben, um die Nabelschnur (die wir abgerissen, nicht abgeschnitten, fanden) damit zu trennen, und wollte endlich das Kind beim Verscharren nur zufällig mit dem Spaten verletzt haben.
Die ganze Tat hatte gewiß nicht den Charakter der reinen Verzweiflung, und eine Mischung von Grausamkeit und Wut ist darin nicht zu verkennen. Aber nichts drückte sich weniger in der Physiognomie der V. aus, als diese Tendenzen. Sie war ein rothaariges, frisches, ziemlich derbes Mecklenburger Landmädchen. Im Gesicht, wie so oft bei blondrothaarigen, zahlreiche Sommersprossen, von schlaffer, träger Haltung und höchst einsilbig. Ganz entschieden trug sie den Ausdruck der Dummheit, der Kälte und Torpidität in ihren Zügen.
Junge weibliche Gefangene, wenn sie nicht zur letzten Hefe einer großstädtischen Bevölkerung gehören und vielbestrafte Diebinnen, liederliche Dirnen u. dgl. sind, wenden nicht selten, selbst im Gefängnis, eine gewisse Sorgfalt auf ihren Anzug. Nichts von dem bei der V., deren Kleider stets nachlässig am Leib hingen. Stundenlang konnte sie, nach Aussage der Mitgefangenen, teilnahmslos und träge da sitzen. Zu einer zerstreuenden Beschäftigung war sie nur schwer zu bewegen. Das war die grausame Mörderin ihres Kindes! Sie wurde zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. (Nach Johann Ludwig Caspar)