Das Fallbeil, das Geschichte schrieb (Teil 1)

Die Unterhaltungs-Beilage der „Oberlausitzer Tagespost“ vom 27. Februar 1936 (5. Jahrgang, Folge 49, Sammlung Kirchschlager) enthält unter der Überschrift „Frankreichs historische Guillotine wird versteigert“ eine interessante Meldung, die wir vollständig wiedergeben wollen:

Eine überraschende Nachricht erregt die Welt der Sammler: Eines der blutdurchtränktesten Objekte der Weltgeschichte wird versteigert: Die historische Guillotine aus der französischen Revolution, unter derem Beil der Kopf Ludwig XVI. fiel. Diese grauenvolle Hinrichtungsmaschine, deren Messer stumpf und schartig geworden ist im Laufe der anderthalb Jahrhunderte, hat eines der grausamsten Kapitel der Weltgeschichte geschrieben; unzählig sind die Opfer, die sie forderte. Aristokraten und Royalisten, Girondisten und Jakobiner, Generäle und Soldaten, Fürstinnen und Marktfrauen haben unter dem Beil des Schreckens ihren letzten Seufzer getan, und so wundert man sich nicht darüber, daß, sofort nachdem die beabsichtigte Versteigerung bekannt wurde, ein heftiger Wettstreit von Sammlern aus allen Weltteilen um den Besitz der historischen Köpfmaschine einsetzte.

Fallbeil auf einer historischen Ansichtskarte, Sammlung KirchschlagerFallbeil auf einer historischen Ansichtskarte, Sammlung Kirchschlager

Seit dem Jahre 1893 befand sich das Beil dieser Guillotine im Besitz eines Brüsseler Sammlers, in dessen Hände es auf abenteuerliche Weise gelangt ist. Der Mann hatte sich den Besitz des Stückes eine große Summe kosten lassen und blieb Jahrzehnte hindurch gegenüber den verlockendsten Angeboten, die hauptsächlich aus Amerika kamen, standhaft. Nun, nach seinem Tode, wollen es die Erben zur Versteigerung bringen. An der Echtheit des historischen Stückes ist nicht zu zweifeln. Es handelt sich um ein etwa 35 Zentimeter langes Fallbeil, das auf einem schwarzen Sockel ruht, der die Inschrift trägt: „Mit diesem Beil wurde am 21. Januar 1793 Ludwig XVI. hingerichtet.“

Deutscher Kupferstich von der Hinrichtung Ludwig XVI., Sammlung KirchschlagerDeutscher Kupferstich von der Hinrichtung des Königs Ludwig XVI. von Frankreich, Sammlung Kirchschlager

Es existiert zu der furchtbarsten Hinrichtungsmaschine der Neuzeit eine sorgfältig geführte Chronik, die ebenfalls im Besitz des Brüsseler Sammlers ist. Beinahe 100 Jahre befand sich nämlich die historische Guillotine im Hause der Pariser Scharfrichter. Nach alter Tradition vererbte sie sich in der Scharfrichterfamilie Roch fort, und die Aufzeichnungen wurden sorgfältig aufbewahrt. Die Witwe des letzten Scharfrichters Roch wollte das Stück im Jahre 1883 verkaufen, damals aber fand sich merkwürdigerweise kein Käufer, und sie gab es einem Alteisenhändler. Ein Journalist entdeckte zufällig bei diesem Manne das Fallbeil, ließ sich von Frau Roch das Buch aushändigen und veröffentlichte darüber einen Artikel. Nun erst begann das Wettrennen der Sammler. Der Brüsseler Sammler siegte und brachte das Mordgerät der französischen Revolution im Triumph nach Hause.

Aus den von den Pariser Scharfrichtern aufbewahrten Aufzeichnungen läßt sich ein Blick tun in die blutigen Jahre 1792-1794. Am 20. März 1792 erblickte die historische Guillotine das Licht der Welt. Das heißt, an jenem Tage beschloß die Nationalversammlung auf einen Vorschlag des Arztes Joseph Ignatz Guillotin, „die Enthauptungen in Zukunft mittels einer Maschine vornehmen zu lassen“. Nach einem Sachverständigenbericht des Arztes Antoine Louis wurde die Maschine in Auftrag gegeben und von Louis zusammen mit dem deutschen Mechaniker Schmitt konstruiert. Sie hieß sogar anfänglich nach ihrem Erbauer „Louisette“. Der Volksmund taufte sie jedoch bald nach ihrem geistigen Urheber „Guillotine“. Am 22. September 1792, mit dem Beginn des Nationalkonventes, trat das neue Fallbeil zum erstenmal in Aktion. Seitdem gab es keinen Tag mehr, an dem sich das Messer nicht rötete von dem Blut seiner Opfer.

Guillotine zeigt dem Convent das Modell der Guillotine, Zeitungsillustration des 19. Jahrhunderts nach einem Ölgemälde von Herterich, Sammlung Kirchschlager

Fortsetzung folgt!

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