Ingo Wirt: Tote geben zu Protokoll – eine Rezension von Michael Kirchschlager

Schon vor Jahrhunderten wurden Ärzte als Sachverständige bei Rechtsstreiten zu Rate gezogen. Mit der Vervollkommnung des medizinischen Wissens und eng verbunden mit dem Wandel der Gesetzgebung, bildete sich die Gerichtliche Medizin heraus. Im Mittelpunkt der Tätigkeit des Gerichtsmediziners steht die Untersuchung gewaltsamer Todesfälle (im Gegensatz zum Pathologen). Auch die Begutachtung von Vergiftungen, die Identifizierung unbekannter Toter und die Beurteilung von Blutspuren gehören zu dessen Aufgaben. Der Autor dieses spannenden, profunden Buches ist der bekannte Gerichtmediziner Prof. Ingo Wirth, der durch zahlreiche gerichtsmedizinische-kriminalhistorische Bücher einer interessierten Leserschaft bekannt sein dürfte. Bei meinem Rezensionsexemplar „Tote geben zu Protokoll – Streiflichter aus der Geschichte der Gerichtsmedizin“ handelt es sich um eine Erstausgabe von 1988, die im Verlag Neues Leben Berlin erschien. Somit handelt es sich schon fast um einen Klassiker. Weitere Auflagen folgten, so etwa 1997 und 2002. Schon aus diesem Grund dürfte es leicht erklärlich erscheinen, weshalb keine „modernen“ Fälle (Prof. Wirth behandelt Kriminalfälle bis 1960) Aufnahme finden konnten. Dem Werk geht (neben dem obligatorischen Inhaltsverzeichnis) ein Vorwort des angesehenen Gerichtsmediziners Prof. Otto Prokop voraus, der es nicht ohne Stolz mit der Bemerkung beendet, daß der Autor an dem großen und traditionsreichen Berliner Institut für Gerichtliche Medizin arbeitet. Dann folgen auf über 250 Seiten sieben umfangreiche Kapitel, in denen der Autor mit ungeheurer Fachkenntnis und präziser Feder eine packende Darstellung der Entwicklung der Gerichtsmdezin liefert. „An den Grenzen von Medizin und Recht“ erhält der Leser einen kompakten Überbilck über die Grundlagen der Gerichtsmedizin. Bei der Schilderung der zahlreichen Kriminalfälle (so etwa Serienmörder George Joseph Smith, Versicherungsmörder Tetzner oder die mehrfache Giftmörderin Christa Lehmann) stand hauptsächlich der Gerichtsmedziner im Mittelpunkt. Der Autor arbeitet oft mit Quellen, die für den Kriminalia-Leser (im Unterschied vielleicht zum Krimileser) von besonderem Interesse sind, so etwa wenn König Hammurapi bestimmt, einem Arzt, der einem Patienten das Auge verpfuscht, die Hand abzuschneiden. Zahlreiche schwarz-weiß Fotos bereichern das Buch ungemein und vermitteln entsprechend dem beschriebenen gerichtsmedizinschem Erkenntnisstand ein gewisses Zeitkolorit. Fazit: Eine klare Empfehlung!

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