Ostpreußen 1852: „In der Stube erschlagen und im Stall verscharrt“ – Ein Kriminalfall von Wolfgang Krüger

Charlotte Meyer, Altsitzerswitwe und 63 Jahre alt, und ihre 24jährige unverheiratete Tochter Mathilde, bewohnten eine Kate im heute untergegangenen Dorf Szwainen, nicht weit von Insterburg, das damals zur preußischen Provinz Preußen gehörte. Beide waren recht arm, beide besaßen aber auch eine tiefe Abneigung gegen Juden. So steckten sie die Köpfe zusammen und berieten, wie man sich in den Besitz größerer Geldmittel setzen könne. Ihnen fiel alsbald ein polnischer Hausierer jüdischen Glaubens ein, den sie schon lange kannten und der sich immer wieder mal an ihrer Katentür zeigte, um seine armseligen Waren anzubieten. Der schien ihnen das geeignete Opfer, denn in ihrer Einfalt meinten sie, der Mord an einem beziehungsweise das Verschwinden eines Juden würde schon kein allzu großes Aufsehen erregen. Gesagt, getan.

Als am Nachmittag des 18. März 1852 der 50jährige Israelit Leib Bär Luchtenstein, aus Wystiten stammend, in Begleitung seines 15jährigen Sohnes Markus Judel an die Katentür klopfte, zeigten sich die beiden Frauen einem Kauf nicht abgeneigt … Zunächst schickten sie den Jungen zu einer Nachbarin, damit er dort auch Waren anbieten könne. Den Vater indessen baten sie freundlich lächelnd in die Wohnstube und ließen sich interessiert die mitgebrachten Waren zeigen.

Dann gab die Mutter ein Zeichen! Sofort trat die Tochter Mathilde hinter den ahnungslosen Juden und versetzte ihm mit einem schweren Holzhammer mehrere Schläge auf den Hinterkopf. Als sich Leib Bär erstaunt umdrehte, bekam er auch noch ein paar Schläge ins Gesicht ab. Da trat die Ältere in Aktion, einen Flachsklopfer in der Hand. Wieder und wieder schlug sie mit dem Klopfer auf den Mann ein, bis er mit zertrümmertem Schädel auf dem Stubenboden lag. Zum Erschrecken beider röchelte er noch leise. Mathilde zog nun ein Taschenmesser hervor und stieß es dem Sterbenden tief in den Oberleib. Die gewünschte Wirkung stellte sich sofort ein, das Röcheln verstummte …

Die beiden Weiber durchsuchten die Taschen des Juden, doch war ihre Enttäuschung groß, als sie nur fünf Silbergroschen und ein paar polnische Groschen entdeckten. Damit war kein Staat zu machen! So schleppten sie den Leichnam in den Stall, warfen ihn in eine Grube, die sie am Tag zuvor vorbereitet hatten, und eilten in die Stube zurück, denn jeden Augenblick konnte der Junge zurückkehren.

Tatsächlich klopfte es bald darauf. Markus Judel hatte bei der Nachbarin keinen Erfolg gehabt und fragte nun nach seinem Vater. Dieser sitze im Wohnzimmer, bedeutete Charlotte Meyer ihm und führte in dieselbe. Kaum war er eingetreten, fielen beide Weiber über ihn her und bearbeiteten seinen Schädel so lange mit Flachsklopfer und Holzhammer, bis er völlig zerbarst. Ihre furchtbare Tat krönten sie, wie schon beim ersten Opfer, mit einem Messerstich in die Brust. Der Junge war sofort tot.

Wenige Minuten später stießen sie den blutüberströmten Junghausierer zu seinem toten Vater in die Grube und bedeckten beide mit Erde und Mist. In der Wohnstube scheuerten sie das Blut weg. Es würde schon kein Hahn nach den beiden Juden krähen …

Natürlich wurden die beiden Hausierer wenige Tage darauf als vermißt gemeldet. Die Behörden stellten Nachforschungen an und erfuhren, daß die Verschwundenen zuletzt bei Mutter und Tochter Meyer gesehen worden waren. Im April erschien auf dem Anwesen eine Gerichtskommission, denn man glaubte den Beteuerungen der beiden nicht, sie hätten die Hausierer an dem fraglichen Tag nicht gesehen. Die Kate wurde durchsucht, und als man die Aufmerksamkeit auf den Stall richtete und dort zu graben begann, stieß man auf die verwesenden Leichen. Charlotte und Mathilde Meyer wurden auf der Stelle verhaftet und ins Inquisitoriat (Untersuchungsgefängnis) in Insterburg abgeliefert. Zermürbende Verhöre zeigten Wirkung: Schon bald konnte man ein Geständnis protokollieren.

Die preußischen Gerichtsmühlen mahlten damals recht langsam. Erst am 12. Januar 1853 standen beide Frauen vor dem Schwurgericht beim königlichen Kreisgericht in Insterburg. Zwei Tage dauerte die Verhandlung, am 13. Januar wurden sie des gemeinschaftlich begangenen doppelten Raubmordes für schuldig befunden und zum Tode durch das Beil verurteilt. Das königliche Obertribunal in Berlin hatte an den Urteilen nichts auszusetzen. Der König bestätigte sie im Mai 1853.

Im Morgengrauen des 23. Juni 1853 traten die beiden Judenmörderinnen im Hof des Inquisitoriats in Insterburg ihren letzten Gang an. Als erste legte die Mutter den Kopf auf den Block und verlor ihn gleich darauf durch einen einzigen Hieb. Eine Viertelstunde später, Block und Beil mußten erst noch gereinigt werden, kniete auch die Tochter nieder und erwartete den tödlichen Beilhieb.

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