Peter Cott (Osttühringer Zeitung v. 20.11.2014) – Mordfälle im Bezirk Gera: 100 Gäste bei Lesung in Saalfeld

Hans Thiers, Kriminalrat a. D. sowie ehemaliger Leiter der Morduntersuchungskommission des Bezirks Gera, und Verleger Michael Kirchschlager präsentieren ihr gemeinsames Buch „Mordfälle im Bezirk Gera“ in der Saalfelder Stadt- und Kreisbibliothek. Ein niedergelegter Friedhofskranz war es, der die Ermittler an diesem nebligen Karfreitag 1978 am Tatort in Unterwellenborn besonders irritierte. Die im Ölbach gefundene Leiche einer jungen Frau wies eindeutige Spuren eines Tötungsdeliktes aber auch eines Kampfes mit dem Täter auf. Ruhig und sachlich berichtete Kriminalrat A.D. und Autor Hans Thiers am Dienstagabend von diesem und anderen Mordfällen seiner Dienstzeit, während mehrfach schockiertes Raunen durch das Publikum der Saalfelder Stadt- und Kreisbibliothek ging. Die Bücherei hatte zu einem kriminalistischen Abend eingeladen, bei dem der ehemalige Leiter der Morduntersuchungskommission sein Buch „Mordfälle im Bezirk ­Gera“ vorstellte. Bereits vor der Lesung führten einige der etwa 100 Gäste in der vollen Bibliothek Gespräche kriminalistisch interessierter Natur. So bewertete eine Zuhörerin den „Tatort“ am Sonntag als „gruselig und unauthentisch“. Auch die Veranstaltung in Saalfeld sollte an manchen Stellen erschreckenden Charakter annehmen. Etwa als Thiers über die sexuell motivierte Tötung eines Mädchens am Saalfelder Bergfried oder den sechsfachen Kindesmord in Zeulenroda berichtete. „Tragödien dieser Art werden noch Generation von Menschen beschäftigen“, bemerkte Thiers dazu sichtlich gerührt. Unauthentisch wie im Fernsehkrimi waren die Ausführungen des ehemaligen Ermittlers aber keineswegs. Ingrid Kowalski, eine Besucherin der Lesung, lobte beispielsweise die „glaubwürdigen Darstellungen ohne Pathos oder eine Spur Sensationslust“. Untermauert wurde dies vor allem durch die Ehrlichkeit Thiers, der sich nicht zu schade war, auch Fehlschläge seiner Laufbahn zu erwähnen. Bis heute beschäftigt ihn die Leiche eines Neugeborenen auf der Bahnstrecke zwischen Saalfeld und Pößneck. Während der polizeilichen Neustrukturierung der Wendezeit gingen ­Beweismittel der Asservatenkammer verloren, sodass der Fall nie geklärt werden konnte. Deutlich wurde die Realitätsnähe unter anderem auch, wenn der mitgereiste Verleger des Buches, Michael Kirchschlager, die unkorrigierten und ungeschönten Ermittlungsprotokolle oder Geständnisse der Täter verlas. Hier ergaben sich seltene Einblicke in menschliche Abgründe und die Psyche der Kriminellen. Trotz der vielen ernsten Momente an diesem Abend vermochten es Thiers und Kirchschlager auch immer wieder, der ­Lesung eine humorvolle bis ironische Wendung zu verpassen und das Publikum zum Schmunzeln zu bringen. Die Vergiftung eines alkoholkranken und cholerischen Ehemanns in Saalfeld mit Cyanid im Bier kommentierte Kirchschlager als einen eindeutigen Verstoß gegen das deutsche Reinheitsgebot. Der amüsierte Applaus unterstrich seine nüchterne Feststellung.

Auch zu den Methoden der damaligen Ermittlungsarbeit wusste Thiers Skurriles zu berichten. Einmal habe er einen ­Eimer mit Leichenresten nach Jena zur Gerichtsmedizin bringen müssen. Da das Beweis­material erst am nächsten Tag benötigt wurde, lagerte der Komissar es über Nacht im eigenen Keller, weil es dort kühl war. Seiner Frau habe er das aber erst viele Jahr später gesagt, ergänzt er der Beschreibung seiner teils unkonventionellen Arbeits­weise. Dennoch klärte Thiers in seiner Laufbahn fast alle Morde sowie den eingangs erwähnten Fall in Unterwellenborn auf. Der Täter hatte – möglicherweise aus Gewissensgründen – am Friedhof einen Blumenkranz gestohlen. Auf dem Rückweg bedrängte er zwei weitere Frauen, um von der eigentlichen Tat abzulenken. Diese konnten den Mann aber identifizieren, sodass er schließlich der Rechts­sprechung zugeführt wurde. Peter Cott, weitere Infos und Bilder bei www.otz.de

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