Das Kriminalpanoptikum von Aschersleben – Vorgestellt von Steffen Claus

Es gibt so ein Zauberwort, mit dem man das Böse, das Ungesetzliche, verdrängen und bekämpfen möchte: Kriminalprävention. Cesare Bonesana Beccaria, ein italienischer Jurist und Kriminologe schrieb in seinem Buch „Über Verbrechen und Strafe“: „Besser ist es, dem Verbrechen vorzubeugen, als sie zu bestrafen… Aber die bis jetzt angewandten Mittel sind meist falsch und dem erstrebten Ziel zuwider.“

Wenn man sich auf so ein altes Zitat besinnt, dann deshalb, weil jede Erscheinung ihre eigene Geschichte hat und historisch belegt werden kann.

Die Kunst der Kriminalprävention besteht darin, Grenzen zu setzen und Normen zu verdeutlichen ohne Auszugrenzen. Man betreibt sie täterorientiert, opferorientiert oder tatgelegenheitsorientiert. Ihr erklärtes Ziel besteht in der Förderung des Präventionsgedankens, in der Reduzierung erkannter Kriminalitätsursachen und in der Stärkung des Sicherheitsgefühls der Bevölkerung. Sie lässt sich nur mit dem hohen Anspruch verwirklichen, wenn alles bürgernah vor Ort stattfindet. Es bedarf einer Art „Kriminalprävention zum Anfassen“. Nutzloses Gerede, langatmige Vorträge, Broschüren und Prospekte und hochwissenschaftliche Analysen sind weniger gefragt, denn der Finger muss dort in die Wunde gelegt werden, wo sie gerade blutet.

Nun knüpft jede Erfindung dort an, wo bereits erfunden wurde, auf einem erreichten Wissensstand, dort, wo bereits einiges herausgefunden wurde, was wichtig ist. Die heute praktizierte Kriminalprävention hat eine lange Vorgeschichte, auf die auf keinen Fall verzichtet werden darf. Der Rückblick kann daher gut zum Ausblick werden, das historische Moment ist nicht zu unterschätzen. Es ist ein abgeschlossenes Thema, alle Lehren sind daraus gezogen, es bedarf keiner Phantastereien, beispielsweise um aus der Mücke den Elefanten zu machen.

Wie und wo setze ich es ein, dieses historische Element?

Es lohnt sich, diese Fragestellung zum Gegenstand neuer Betrachtungsweisen heranzuziehen. Dem Historischen kann sogar richtig Leben eingehaucht werden. Wenn wir es in unsere Gegenwart transportieren, können wir mit ihm kommunizieren. Wir erleben gewisse Parallelen zu unseren eigenen Lebenserfahrungen und bemerken, dass mancher Ganovenschwindel schon viele Jährchen auf dem Buckel hat. Das Historische lässt sich sehr gut als Lehr- und Lernmittel einsetzen.

Prävention durch Erfahrung, das lässt sich gut verwirklichen. Dazu bietet eine zweckmäßige Ausstellung im Milieu zwischen „Kriminalen & Kriminellen“ die wirkungsvolle Kulisse eines kommunalen Präventionsvorhabens. So ein Kriminalmuseum ist aber heute nicht ein Sammelsurium von Tatwerkzeugen sondern es wird als Panoptikum arrangiert und bietet so viel besser den Rahmen über eigene Erlebnisse mit Kriminalität nachzudenken und sich dagegen zu wappnen.

Die Kriminalprävention hat neben dem aktuellen Tagesgeschäft eine nicht zu unterschätzende historische Komponente. Wenn schon mal das „dicke Buch der Kriminalgeschichte“ aufgeschlagen wird, dann findet man darin ein Füllhorn an Anregungen. Beispielen, Ideen und Ansatzpunkten reichhaltigen Materials, das es eine Sünde wäre, darauf verzichten zu wollen.

Das wirft die Frage auf, mit welchen Mitteln, auf welche Art und Weise und in welchen Dimensionen Kriminalgeschichte belebt werden kann. Die gute Absicht ist nicht automatisch der angestrebte Erfolg. Es bedarf einer gewissen Originalität, um reichlich Besucher zu bekommen.

Neben der Vielfalt an kommunalen Projekten zur Kriminalprävention, kann Kriminalgeschichte als Mittel zum Zweck, als gesicherte Erkenntnis im Zusammenspiel mit Konfliktfeldern und Konfliktbewältigung durchaus bestehen. Sie leistet Vorschub für eine gezielt gesteuerte Kriminalprävention.

Das „Kriminalpanoptikum“ wurde nach seiner Eröffnung eine Art besondere kriminalpolizeiliche Beratungsstelle, eine kulturelle Begegnungsstätte mit klaren Absichten und Zielstellungen, ein Ort, an dem man sich informiert, unterhält und an dem man lernt, mit bestimmten Dingen umzugehen, beispielsweise mit der Kriminalität zu leben ohne ein potentielles Opfer zu werden.

Ein solches „produktives“ Kriminalmuseum darf als eine besondere Bereicherung der Museumslandschaft angesehen werden, wobei man darüber streiten darf, ob sich der Begriff „MUSEUM“ so verwenden lässt. Doch das „Kriminalpanoptikum“ ist an keine starren Begriffe und Wertbegriffe gebunden, denn ein Panoptikum ist begrifflich sehr breit gefächert. Breit gefächert sollen auch die Maßnahmen der Kriminalprävention sein und deshalb ergibt sich aus der Synthese beider Begriffe ein optimales Betätigungsfeld.

Die Geschichte der Menschheit ist gleichzeitig auch die Kriminalgeschichte und speziellen Facetten dieser abwechslungsreichen Geschichte wird im „Kriminalpanoptikum“ eine Nische geschaffen, die sich überregionaler Beliebtheit erfreuen dürfte.

Den Begriff Panoptikum hat man in Nachschlagwerken verschiedentlich interpretiert. Unbestritten war das Panoptikum in früherer Zeit eine Schau von Sensationen und eine Stätte der Unterhaltung.

Ein richtiges Kriminalmuseum zu betreiben, hieße, dass nur bestimmte Zielgruppen die Möglichkeit haben, die Ausstellung zu besichtigen. Die dazu übliche Sammlung von Tatwaffen und Präparaten, die Bestandteile des „Gruselkabinettes“, wären Kindern nicht zumutbar.

Die Alternative zu einer Gratwanderung zwischen Belanglosigkeit und Schocktherapie ist eine Abkehr von üblichen musealen Gepflogenheiten und der Versuch, zwischen einer gruslig- schaurigen Erwartungshaltung, interessanten Inhalten und Effekten eine Ausstellungsvariante zu wählen, die den Besucher überrascht, interessiert und unterhält, wobei gerade dadurch wesentliche verhaltenspräventive Handlungsanleitungen vermittelt werden können.

Solches Vorgehen widerspricht der üblichen „Abschreckungstheorie“ und eröffnet neue Möglichkeiten einer in sehenswerte Inhalte verpackten gezielten Kriminalprävention.

Der Begriff des „Kriminalpanoptikums“  gestattet Experimentierfelder und untypische Arrangements. Da es kaum vergleichbare Ausstellungen gibt, sollten Vorurteile nicht zu hoch bewertet werden.

Das „Kriminalpanoptikum“ beinhaltet geeignete Auszüge der Kriminalgeschichte und ist mit regional orientierten Heimatmuseen nicht vergleichbar. Vorwiegend wird die kuriose Seite dieser Kriminalgeschichte behandelt, insbesondere die Art und Weise, jemanden zu betrügen, die Eigenarten der „kriminellen Zünfte“ und die erfolgreichen Ermittlungsmethoden der „Kriminalen“. Sehen – erfahren – lernen – begreifen- verinnerlichen, so etwa wird dem Besucher ein Denkprozess vermittelt. Es funktioniert ohne den erhobenen Zeigefinger und ohne pauschale „Keule“. Die bunte Mischung exotisch anmutender Exponate ist durch fallbezogene Texte, mit Satire und einer Prise Ironie gewürzt, unterschiedliche Themen werden räumlich abgegrenzt und unterhaltsam inszeniert. Überraschungen sind vorprogrammiert, es wird weder auf Kitsch verzichtet, noch auf den rüden Jargon des kriminellen Milieus. So ein Panoptikum kann es sogar leisten, mit Schaufensterpuppen oder „Kasperpuppen“ zu agieren, sogar Faschingsmasken entdeckt man in Hülle und Fülle. Die Kriminalgeschichte ist eben auch Kultur- und Sittengeschichte und wenn sich ein Bankräuber die Maske des Bundeskanzlers aufsetzt, um nicht erkannt zu werden, gehört der nun auch ins „Kriminalpanoptikum“. Zwischen Spaß und Ernst gibt es keine sichtbaren Barrieren.

Eines aber ist bei aller Freizügigkeit von absoluter Priorität: Alles, was man sieht und liest, hat sich tatsächlich so ereignet und wird „unfrisiert“ wiedergegeben. Das Markenzeichen der Authentizität bürgt deshalb für Qualität.

Kriminalität ist allgegenwärtig, denn jeder kann Opfer einer Straftat werden, deshalb richtet sich das „Kriminalpanoptikum“ allgemein an die Zielgruppe Mensch und kennt keine Altersunterschiede. Dies wurde bei der Auswahl der Exponate gewissenhaft beachtet. Da, wo ein Steppke nicht lesen kann, sieht er einen Bezugsgegenstand und ihm kann erklärt werden, warum jener Gegenstand ausgestellt wurde, dann wird er ebenfalls begreifen, was damit gemeint ist.

Sehr viele dieser Gegenstände sind selbst wertvolle Sammelobjekte. Durch ihren Bezug zur Kriminalgeschichte werden sie doppelt interessant. In der Ausstellung sind Sammelgebiete vertreten, die nicht üblich und daher kaum bekannt sind (beispielsweise Schlagstöcke, Fesseln oder „Kriminalistenbestecke“).

Sehr viel Wert wurde auf Recherchen in alten Zeitschriften gelegt. Die Zeitung war und ist eine verlässliche Quelle der Kulturgeschichte. Sie berichtet über Belanglosigkeiten, Vergängliches und welthistorisch Unberechenbares. Sie berichtet über alles und ist ein Spiegel des Lebens. Solche alten Blätter enthalten auch unglaubliche Geschichten, die das Leben schrieb, die man so gar nicht erfinden kann. Seit jeher waren die Zeitschriften voll von Verbrechen, daran hat sich nichts geändert. Doch nicht jedes Verbrechen ist eine Bluttat. Im „Kriminalpanoptikum“ werden jene Kuriositäten, Begebenheiten und „Histörchen“  herausgefiltert, die der „Weltchronist“ geflissentlich übersieht. Sie liefern lebendig ein unterhaltsames Anschauungsmaterial, mit dem man in der Gegenwart so manche Gaunerei entlarven und vereiteln kann.

„Hüte Dich!“ fordert ein Büchlein gegen Vergehen und Verbrechen von 1925 und wurde als das „Büchlein zur Schadenverhütung“ angepriesen. Wir drucken heute weitaus viel mehr „schadensverhütende“ Ratgeber, doch jeder weiß, dass die Papierschwemme längst nicht mehr gelesen wird. Erfolgreiche Kriminalprävention lebt von neuen Ideen und ähnlich der Werbung von Originalität. Das „Kriminalpanoptikum“ ist deshalb eine ganz besondere Ausstellung, die man nicht unter Kunst und Kultur ablochen kann. Genau genommen handelt es sich um eine kriminalgeschichtliche Beratungsstelle!

Ausflugstipp:

KRIMINALPANOPTIKUM

In Aschersleben, einer alten Stadt zwischen Halle und Magdeburg, gibt es „An der Darre“ 11, gleich neben dem Polizeirevier, ein altes Gefängnis. Dort hat sich jetzt die Kriminalgeschichte eingenistet. In den Zellen spuken „Sherlock Holmes“ und der legendäre „Hauptmann von Köpenick“, dort erzählen viele Gegenstände kuriose Kriminalgeschichten.

Diese skurrile Ausstellung, das „KRIMINALPANOPTIKUM“, ist ein „Museum der besonderen Art.“ Dem Besucher wird ein Szenario geboten, das ihn zum Nachdenken über GUT und BÖSE anregt. Gauner, Ganoven und die Gesetzeshüter geben sich ein Stelldichein.  Es wird weder auf Kitsch verzichtet, noch auf den rüden Jargon des kriminellen Milieus. Das kriminelle Panoptikum kennt kein Tabu. Kriminalgeschichte ist Bestandteil der Kultur- und Sittengeschichte der Menschheit; alles, was ausgestellt wird, kann historisch belegt werden. Die Kriminalität ist allgegenwärtig und diese ungewöhnliche Ausstellung richtet sich an die Zielgruppe Mensch jeden Alters.

Besuchen Sie das Ascherslebener Kriminalpanoptikum, mitten in der Stadt, gleich neben dem Polizeirevier, gelegen. Jeder Einwohner der Stadt kann Ihnen sagen, wo sie das ehemalige Gefängnis finden, in dessen roten Backsteinmauern die „Kriminalen & Kriminellen“ anzutreffen sind.

(Öffnungszeiten: Dienstag- Donnerstag 14-17.00 Uhr, am Wochenende von 12-17.00 Uhr. Voranmeldung unter Tel.: 03473/ 2265942 oder 2265940)

Vom Mai bis Oktober 2010 gibt es erweiterte Öffnungszeiten, da hat das „Kriminalpanoptikum“ täglich von 10-17 Uhr geöffnet!

Ein Ausflug nach Aschersleben ins Kriminalpanoptikum lohnt sich für die ganze Familie. Die älteste Stadt in Sachsen- Anhalt hat noch jede Menge anderer Sehenswürdigkeiten zu bieten.

Wir freuen uns über Ihren Besuch.

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