Stadtrechtsverfassung und Stadtgerichtsbarkeit in Arnstadt von den Anfängen bis um 1550

Seit dem 13. Jahrhundert tritt uns Arnstadt, zuerst im Jahr 1220 als civitas bezeichnet, in der urkundlichen Überlieferung als Stadtgemeinde entgegen. Die Stadt, in der dortigen Herrschaft der Abtei Hersfeld und in der Grafschaft Käfernburg gelegen, erhielt in einer Bewidmungsurkunde vom 21. April 1266 ihr Stadtrechtsprivilegium von der Abtei Hersfeld.

Der Text der Urkunde in Übersetzung lautet: Heinrich, von Gottes Gnade Abt der Kirche in Hersfeld, Dietmar, Dekan, und der ganze Konvent daselbst entbieten ihren Lieben Getreuen Rat und gesamter Bürgerschaft in Arnstadt ihre Huld und en Wunsch alles Guten. Ihr habt uns um Verleihung einer bestimmten Rechtsform ersucht, nach der ihr euch bei allen euren Maßnahmen in jedem Personen und Eigentum betreffenden Falle und in klarer Urteilsform dauernd richten könntet. Aber da wir nach dem Rat eurer Abgeordneten und anderer uns befreundeten biederen Männer euch nicht passender willfahren konnten als dadurch, daß wir euch das Recht und ehrenvolle Freisein fest zu verleihen geruhten, welches Kaiser Karl der Leitung unserer Kirche bei ihrer ersten Gründung fest verliehen und alle unsere Abtsvorgänger, besonders die Äbte Siegfried, Johannes und Ludwig, die noch heute in der Erinnerung leben, bis auf uns fortgepflanzt haben, nämlich die Rechte, Satzungen, löblichen und guten Gewohnheiten und Ehren, welcher besagter Kaiser Karl unserer Kirche in Hersfeld und Umgebung fest verliehen hat. Demgemäß verleihen wir euch wohlwollend durch vorliegenden Brief dauernd kraft des allmächtigen göttlichen Vaters und dank unserer Schutzheiligen, der Apostel Simon und Judas und des heiligen Wigbert, die Rechte, Satzungen und löblichen guten Gewohnheiten, welche die Stadt Hersfeld, wie gesagt, bis auf unsere Zeit in festem Besitz gehabt hat, mit Ausnahme dessen, was wir nach klarem Vogteirecht einfach als nichtigerklärens- und abschaffenswert nicht zulassen werden. Und weil ihr euch der Freiheit, Rechte, Satzungen und Ehren unserer Hersfelder Bürger erfreuen wollt, wollen auch wir, wie sich`s gebührt, daß ihr uns und unseren Nachfolgern in diesen und den Punkten, wozu ihr von Rechts wegen verbunden seid, so gehorcht, wie unsere Hersfelder Bürger. Gegeben in Hersfeld im Jahr des Herrn 1266 am 21. April. Zeugen sind hierbei Konrad, Propst zu St. Johannes, Werner, Propst zu St. Peter, unsere Prälaten bei Hersfeld, Magister Erkinbert, Günther von Arnstadt, Erkinbert, Vogt von Buchenau, Mundschenk Reinbolt von Lengsfeld, Gebrüder Konrad und Gerlach von Ufhausen, Ritter Volpert Helbini und unsere Ministerialen Heinrich Angelus und Heinrich von Hatchenbach, Heinrich von Suhl und sein Bruder Reinolt, Kraftho, Münzmeister Berthold, Ludwig von Kapellen und Münzmeister Theoderich Friese, unsere Hersfelder Bürger, und andere Vertrauenswerte mehr (Übersetzung nach B. Grosse, 1936). Vermutlich wurden Arnstadt auch gewisse Statuarrechte verliehen. Konkret genannte Rechte werden nicht genannt.

Das sehr gut erhaltene Original befindet sich im Thüringischen Staatsarchiv Rudolstadt. Das Pergamentblatt hat eine Größe von 25 x 28 cm. Die beiden an grün-rot-weißen Schnüren anhängenden spitzovalen braunen Siegel, des Abtes Heinrich und des Klosters Hersfeld, sind ebenfalls sehr gut erhalten. Die Rückseite der Urkunde trägt die Aufschrift: wie etwa der abtt zu Hirsfeld der Stadt Arnstat iura confirmirt. Das Stadtrecht umfaßt die Summe der innerhalb einer Stadt geltenden Rechtsnormen, sowie der rechtlichen Beziehungen zwischen Bürgern und dem Stadtherrn.

Neben dem Stadtrecht (1266) stammen erste vom Landes- und Stadtherrn (von Schwarzburg) gegebene und bestätigte Privilegien, Gesetze und Ordnungen wahrscheinlich von 1415 (Jovius). Insgesamt haben sich zwei Statuten aus dem 15 Jh. (Michelsen) erhalten. Sie enthalten vornehmlich Artikel zum Gewohnheitsrecht. Umfassende Stadtrechte in den Statuten von 1543, die im 19. Jh. noch Rechtsgültigkeit besaßen. Das Original befindet sich im Stadt- und Kreisarchiv Arnstadt. 40 Pergamentblätter in Folio (mit Schluß des Umschlages), die Statuten selbst bestehen aus 38 Blättern, deren letztes nicht beschrieben ist, durchheftet mit rotem Band an dem das Siegel Graf Günthers II. hängt (Unterschrift zum Teil ausgebrochen) aus rotem Wachs in einer blechernen Kapsel. Die Stadtrechte von 1534 enthalten 168 Artikel. Der erste und bei weitem größte Teil enthält strafrechtliche, polizeirechtliche und auf die Verfassung und Verwaltung des städtischen Gemeinwesens bezügliche Satzungen (Mord, Totschlag, blutrünstig Schlagen/Blutrunst, Wegelagerung, Zetergeschrei ohne Ursache, Diebstahl, Auflauf in der Stadt, Klagen, Handwerksordnungen, Gewichte, Märkte, Weinschenken, Mälzen, Spielverbot, Gesellschaftsgründungsverbot, Häuserordnung, Straßenreinigung, Schuldgefängnis, Verkündigung des neuen Rates, Vorlesung der Statuten, Einsetzung der Pfarrer, Schulmeister und Kirchner).

In einigen Artikeln kommt die sogenannte Steinbuße als Strafe vor. Sie beinhaltet die Lieferung einer gewissen Zahl Fuder Steine (zwischen 2-60 Fuder) z. B. in Art. 54 Item wer mutwilliglich oder frehventlich marckstaine auszreist, umbhackt oder ausehret, es geschee bei tage oder nacht, und so er desselben überkomen, der sol dem rathe sechtzig fuder steine zue busz (zur Buße) geben. Die Steine wurden z.B. für die Reparatur der Stadtmauer verwendet. Der frühere Vogt und Schultheiß kommt als Amtmann und Richter noch darin vor. Die Zivilgerichtsbarkeit ging auf den Stadtrat über. Der zweite Teil wird von landesherrlichen Verordnungen gebildet (kein autonomischer Charakter der Statuten mehr). Er beginnt mit Art. 162, der Zwieträchtigkeiten im Stadtrat betrifft, sowie Art. 163, der dem Rat alle seine Freiheiten, Gerechtigkeiten und Herkömmlichkeiten bestätigt (erstmals wieder nach dem Bauernkrieg). Darauf folgen in Art. 164 und 165 zwei in das Stadtrecht aufgenommene landesherrliche Verordnungen, die sich auf das Eherecht beziehen. Art. 166 regelt die Erbfälle (sehr wichtiges Landesgesetz). Hierauf folgt der 3. Teil mit Art. 167, (umfangreiches Prozessrecht) das die Bestimmungen von den Gerichtsverläufen umfaßt. Der letzte Artikel (168) enthält den Vorbehalt künftiger Änderung und Verbesserung der Statuten. Die Initiative dazu wird dem Stadtrat überlassen. Den Schluß bildet die landesherrliche Sanktion der Statuten vom 29. September (Michaelis) 1543, mit Wiederholung der Vorschrift, daß die Statuten jährlich einmal der Bürgerschaft öffentlich vorgelesen werden sollen. Die Statuten der Stadt Plaue gehen auf diese Statuten zurück.

Neben dem Stadtherrn übte der Rat (consilium) in der Stadt die Herrschaft aus. Er war das oberste Organ der Bürgerschaft zur Selbstverwaltung, kontrollierte den Frieden in der Stadt, übte die niedere und auch obere Gerichtsbarkeit aus, überwachte die Satzungen und Statuten, war Vertreter der Stadt nach außen und bestallte die städtischen Angestellten, wie den Marktmeister, den Stadtschreiber, die Stadtdiener, Bettelvögte usw. Den Vorsitz im Rat führte meist einer der Bürgermeister. Das städtische Parlament bildeten die Ratsmannen, Ratsleute oder Ratskumpanen, im 13. Jh. Adlige und Bürger mit großem Grundbesitz. Urkundliche Ersterwähnung eines Rates und der Bürgerschaft am 6. Januar 1283 (consules-Ratsherren). Ab 1307 sind Henricus Ulrici und Ulricus Strabo, magistri consulum (Ratsmeister). Daneben werden neun Ratsherren genannt, ab 1322 wechselt die Bezeichnung zu ratismeystere, seit 1372/1375 zwei Ratsmeister, zwei Kämmerer und acht Ratsleute (ratislute).

In den folgenden Jahrzehnten Verringerung des Rates auf neun und acht Personen. In dieser um 1500 herausgebildeten Form blieb der Rat bis zum Beginn des 19. Jh. bestehen. Amtsdauer ein Jahr, Wechsel zu Lichtweih (2. Februar), dementsprechend verlief das städtische Geschäftsjahr. Der Rat wurde jährlich durch die Bürgerschaft gewählt (mit Wissen und Verwilligung des hersfeldischen Amtverwesers). Im Laufe der Zeit bildeten sich drei sogenannte „Ratsmittel“ (Rat in seiner Gesamtheit), die sich in einem regelmäßigen Turnus ablösten, so daß in jedem vierten Jahr die gleichen Personen wieder an der Spitze der Stadt standen, soweit nicht Todesfälle o.a. Rücksichten die Aufnahme eines neuen Ratsmitgliedes verursachten. Hinsichtlich der beiden Ratsmeister bildete dies die Regel. Die Reihenfolge der Kämmerer kam auch umgekehrt vor. Damit wurde das Wahlrecht der Bürger hinfällig. Zwischen 1463 und 1475 Verschiebung des Ratswechsels von Lichtweih auf Michaelis (29. September Beginn des Rechnungsjahres).

Im 17. und 18. Jh. Auseinandersetzungen zwischen dem Rat (Stadt) und den Herren von Schwarzburg-Sondershausen als Stadtherren (Staat). Streitpunkte waren niedere Gerichtsbarkeit (Blutrunst), Privatrechtssachen und Streitigkeiten um Abzugsgeld, Meß- und Wegegeld, Tranksteuer, Innungswesen und Angelegenheiten der örtlichen Polizei. Ab 1716 Mitspracherecht des Fürsten bei der Ratswahl und Klärung der Zuständigkeiten. Daraufhin wurden 1732 die drei Ratsmittel um eins vermindert. 1812 entscheidende Umwandlung der Ratsverfassung. Außer der Anzahl der Ratsmittel wurde auch die Besetzung auf je zwei Bürgermeister und Kämmerer herabgesetzt, während die Stellen der Bau- und Ratsherren wegfielen, deren Funktionen von den Kämmerern übernommen wurden. Da der Rat immer mehr den Charakter einer fürstlichen Behörde annahm, kam es um 1830 zu Auseinandersetzungen zwischen Rat und Bürgerschaft. In der Folge durften 40 Stadtverordnete gewählt werden.

Auf Drängen des Rates trat am 1. April 1832 eine neue Stadtordnung in Kraft. Ein weiterer Schritt zur unabhängigen, kommunalen Selbstverwaltung stellte die Gemeindeordnung von 1850 und die Städteordnung von 1857 dar. Hierin wurde die strikte Durchführung des Grundsatzes der ausschließlichen kommunalen Selbstverwaltung der Stadtgemeinden, die diese unter der Oberaufsicht des Staates durchführten festgeschrieben. Die Rechte des fürstlichen Stadtherrn konnten eingedämmt werden. 1850 wurde auch die Frage der Gerichtsbarkeit endgültig geklärt. Am 1. Juli 1850 ging die Ausübung der Rechtspflege mit Ausnahme der Geschworenen- und Militärgerichte vollkommen auf die neugeschaffenen Justizämter, Kreisgerichte und das Appellations- und Oberappellationsgericht über. Arnstadt erhielt ein Justizamt, das mit einem Justizamtmann und mindestens einem Aktuar besetzt.

Zur Gerichtsbarkeit: 1176 erfolgte die erste urkundliche Nennung eines Vogtes Heinrich von Arnstadt, der ein gräflicher Beamter war. Er übte in Vertretung des Grafen die Gerichtsbarkeit aus. Das Vogteiamt in Arnstadt lag in Händen der Grafen von Käfernburg. Deshalb entstanden Streitigkeiten zwischen den Grafen und dem Abt von Hersfeld. Schlichtungsversuch 1273. Bereits 1266 beanspruchten die Hersfelder Äbte das Vogteirecht. Sie selbst setzten den 1182 erwähnten Beringer von Arnsadt als Schultheiß (Verwaltungsbeamter und Richter) ein. Somit unterstand die Bürger- und Einwohnerschaft in den unterschiedlichen Rechtsangelegenheiten jeweils dem Schultheißen oder dem Vogt. Die sogenannte hohe oder Blutgerichtsbarkeit lag seit dem späten Mittelalter für auswärtige Personen in der Hand der Stadt. Über einen Bürger konnte nur der Vogt oder Amtmann des Grafen oder der Graf selbst, dem die hohe Gerichtsbarkeit zustand, die Todesstrafe aussprechen, doch galt hierbei der Grundsatz, daß ein Bürger nicht zugleich Leib und Gut verlieren darf. Eine wichtige Quelle über die Gerichtsbarkeit der Stadt stellen die Statuten von 1543 dar.Wer einem anderen schwere (blutrünstige) Verwundungen beibrachte, mußte die Stadt räumen oder verlor die Hand. Schlug aber ein Fremder einen Bürger zu Tode, der verlor den Hals.

Verschiedene Vergehen wie Rauflust (reuffen), Wegelagerei, Widerspenstigkeit gegen die Obrigkeit (Aufflaufft in der stadt) wurden mit Räumen der Stadt bestraft und zwar für eine bestimmte Zeit oder auch lebenslänglich. Oft war diese Strafe gekoppelt mit Geldbußen und der sogenannten Steinbuße, d.h., es waren je nach der Art des Vergehens Steine anzufahren. Sie wurde besonders bei Übertretungen der Marktverordnungen, bei unerlaubten Handelsgeschäften und beim Versetzen von Grenzsteinen angewandt. Die Strafe war möglich, weil der Ackerbau die Hauptbeschäftigung der Bewohner war und der größte Teil Spannvieh besaß. Die Steine wurden zur Ausbesserung der Stadtbefestigung genutzt. Alle Lästerungen, Flüche und Schwüre gegen Gott etc. strafte der Rat und die Bürgergemeinde mit einem Tag und einer Nacht Gefängnis. Beim zweiten Mal wurde der Gotteslästerer drei Tage bei Brot und Wasser ins Gefängnis gelegt, zum dritten Mal mußte er die Stadt für vier Monate räumen und wurde nicht eher eingelassen, bis er sechzig Fuder Steine dem Rat zur Buße erlegte. Der mit Räumung Bestrafte brauchte sich nicht weit von der Stadt entfernen, durfte allerdings nur bei einem Brand wieder hinein. Zeitweilig war mit dem Räumen das Stäupen (hohe Gerichtsbarkeit), eine Form der Auspeitschung mit Ruten, verbunden.

Im 16. Jh. trat an die Stelle der Steinbuße oft Geldstrafe und bei Unvermögen Gefängnis. Die Einnahmen aus den Geldstrafen wurden meist zwischen Graf/Vogt und Stadt geteilt. Tagelöhner, die ihre Schuld nicht begleichen konnten, mußten diese absitzen. In Arnstadt mangelt es nicht an Gefängnissen, denn die Demnitze, Gitter, Neutorturm, Schlossturm, Marienhäuschen, Längwitzer Torturm und dergleichen mehr können per gradus genugsam bändigen und strafen. Leichte Gefängnisstrafen wurden im Neutorturm, im Riedturm und im Schloßturm abgesessen. Gegenüber der Turmstrafe bedeutete die Demnitze, 1659 auch als schwarze Stube bezeichnet, eine Verschärfung. In den Statuten von 1543 wird die

Demnitze temnitze, in Arnstadt ein Gefängnis im oberen Stock des Rathauses (sonst ein ebenerdiges oder unter der Erde liegendes Gefängnis) nur in Art. 58 erwähnt, und zwar für solche Bürger, die andere mit Schmähungen und Scheltworten überhäufen, für eine Geldbuße aber zu arm sind. Die Demnitzstrafe wurde oft angewandt (Ratsprotokolle). Zankende Weiber wurden aufgeteilt. Eine kam in die Demnitze, die andere ins Gitter. Das Gitter war ein Raum neben dem Tuchboden, dem heutigen Rathaussaal. Es war besonders für Missetäterinnen bestimmt. Mit Marienhäuschen meint Olearius vermutlich den sogenannten Roten Turm vor dem Erfurter Tor. Vor dem Rathaus auf dem Markt stand zum Zeichen der eigenen Gerichtsbarkeit der Stadt ein langer Steintisch, gewöhnlich der lange Stein genannt, an welchem vor dem 19. Jh. die öffentlichen Gerichte gehegt wurden. Der lange Stein wurde bereits 1825 beseitigt. An der Ostseite des Rathauses war der Pranger und das Halseisen zur Bestrafung der Markt- und Felddiebe angebracht. Es kam gegen Ende des 19. Jhs. in das städtische Museum. Für Garten- und Felddiebe war das Korbspringen vorgesehen, das am sogenannten Korbteich, der späteren Pferdeschwemme vor dem Wachsenburger Tor (heute Gelände zwischen Setze und Pfortenstraße), durchgeführt wurde. In den an einer Stange hängenden Korb eingesperrt, wurde dieser mehrmals in das Wasser getaucht, bis schließlich der Boden, als Klappe gearbeitet, geöffnet wurde und so der Bestrafte ins Wasser fiel. Ende des 18 Jhs. wurde diese Strafe abgeschafft.

Etwas näher zur Bachkirche zu stand das Trillerhäuschen (Drehhäuschen), ein zylinderförmiger Drehkäfig, ein den Schilderhäusern ähnlicher Lattenbau, zum Herumdrehen eingerichtet, in welches Hausdiebe und Einbrecher eingesperrt und nach der Größe ihres Verbrechens zur Belustigung des zahlreich versammelten Publikums und der Schuljugend, von letzterer immerwährend herumgedreht wurden, wodurch sie der Seekrankheit ähnliche Anfälle bekamen. Nicht eher wurden sie aus dieser peinlichen Lage erlöst, bis die festgesetzte Strafzeit verflossen war (Baumberg). Das Trillerhäuschen wurde 1826 beseitigt. Der Längwitzer Torturm, auch als Hexenturm bezeichnet, wies über dem Torbogen fünf Stockwerke auf und diente als herrschaftliches Gefängnis für schwere Verbrecher. Er wurde 1837 abgerissen. Hier wurden auch die Hexen in Gehorsam genommen und in der Folterkammer torquiert oder peinlich verhört. 1696 starb eine als Hexe eingelieferte Frau aus Dannheim an den Martern der Tortur. 1718 wurde ein Goldmacher auf die Folter gespannt. Selbst Wahnsinnige wurden in Ermangelung einer Irrenanstalt hier untergebracht. Der Hexenturm war durch die Ungezieferplagen sehr gefürchtet. So saß 1765 ein Mann aus Dornheim ein dreiviertel Jahr wegen doppelten Ehebruchs im Hexenturm und starb jämmerlich in elenden Zuständen, da ihn das Ungeziefer zu Tode fraß. Ein anderer erfror hier.

Die schwerste Strafe, die Todesstrafe, wurde durch Decollieren (Enthaupten), Hängen, Verbrennen oder Rädern vollzogen. Genaue Zahlen von Hinrichtungen fehlen noch. Die meisten Delinquenten wurden am Siechhof (auch Lazarett o. St. Jakobsstift genannt) gerichtet. Hier wurden auch die an anderen Stellen Hingerichteten beigesetzt; niemals auf dem Stadtgottesacker, ausnahmsweise auf dem Alten Friedhof. Auch der Marktplatz diente als Hinrichtungsstätte, wo man das Schafott oder den Galgen errichtete (1509, 1811 Taubert aus Dosdorf – letzte Hinrichtung). Die Hinrichtungen waren Volkschauspiele belehrender, abschreckender und umsatzfördernder Natur und lockten zahlreiche Zuschauer und Besucher an.

Literatur: Baumberg, Emil: Alt Arnstadt. Eine Wanderung durch die Stadt vor siebzig Jahren. Arnstadt 1894.; Michelsen, A. L. J., Rechtsdenkmale aus Thüringen, Jena 1863; Bühring, Johannes: Über den Termin des Arnstädter Ratswechsels. In: Alt-Arnstadt 3 (1906), S. 47-54;                                         Gottfried, Werner: Verfassung und Stadtrecht von Arnstadt, Jena 1954; Chronik von Arnstadt. Festschrift zur 1300-Jahrfeier der Stadt Arnstadt. Hg. v. Kirchschlager, Andrea, Lappe Ulrich u. Unger, Peter, Arnstadt 2004.

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