Die neunzehnjährige Giftmischerin Lo-sche (1827) – ein Fall aus dem alten China

„Ungerechtigkeit und Grausamkeit sind in China an der Tagesordnung. In dieser Gegend ist kürzlich ein entsetzlicher Muttermord, durch Vergiftung, vorgefallen. Die Täterin, die eigentlich ihren Gatten vergiften wollte, wurde sogleich vor die zuständigen Gerichte gebracht, und, obgleich erst neunzehn Jahre alt, zur Todesstrafe Ta-ling-tsche verurteilt.

Sie wurde gebunden, auf den Richtplatz geführt, entkleidet, an ein Kreuz gebunden, und nun wurden ihr die Arme, Beine und der Kopf abgehauen, so daß nur der Rumpf übrig blieb, dem man einen Dolch in die Brust stieß. Ihr Kopf wurde in einen Käfig gesteckt, den man an den Ort brachte, wo das Verbrechen geschehen war, wo er aufgehängt wurde, um andere von der Begehung ähnlicher Verbrechen abzuhalten.

Die Ortsobrigkeit gab eine offizielle Beschreibung des Vorfalls mit Ermahnungen an das Volk heraus. Auch hat man zwei Balladen darüber verfaßt, die verkauft werden. Die Obrigkeit sagt, die junge Frau, die kränklich war, sei nicht im Stande gewesen, die ihr von ihrer alten Schwiegermutter Luh-schi auferlegte Arbeit zu verrichten. Die Mutter habe sie deswegen gescholten und geschlagen, und den Gatten und den Bruder der Frau veranlaßt, sie ebenfalls zu schlagen. Auch hätte sie gedroht, sie vor die Polizei zu bringen, um sie für ihren Ungehorsam öffentlich züchtigen zu lassen. Das Gefühl des Unwillens und der Furcht zugleich hätte die junge Frau dazu gebracht, ihre Mutter zu töten.

In den Balladen wird die Sache aber anders erzählt: Die Verbrecherin sei schon früh Waise geworden, und ihre verheiratete Schwester habe ihren Gatten überredet, sie zu erziehen, worin er auch einwilligte. Sie war schön und deswegen (fügt der Schreiber hinzu), wie es in China gewöhnlich der Fall ist, auch unglücklich. Der Gatte ihrer Schwester schließlich machte den Plan, sie zu verführen. Daher schlug er seiner Frau vor, nach einem, einige Meilen weit entfernten Tempel zu gehen, und dort Seelenmessen für ihre verstorbenen Eltern lesen zu lassen.

Er erhob das Verdienstliche dieser Handlung, und schlug vor, das Mädchen, welches damals sechzehn Jahre alt war, mitzunehmen. Während seine Gattin im Tempel die Gebete verrichtete, blieb er mit der Schwester im Boot, wo es ihm gelang, seinen Zweck zu erreichen.

Dieser unerlaubte Umgang dauerte bis zur Verheiratung des Mädchens an. Ein Jahr nach der Ehe wurde ihr der Gatte zuwider, und sie faßte daher den Gedanken, ihn zu vergiften und zu ihrem Geliebten zurückzukehren. Das Schicksal hatte indes dessen Tod noch nicht beschlossen. An dem Tag, wo das Gift für ihn bereitet wurde, ging er aus. Nun genoß seine Mutter das, was für ihn bestimmt war, und starb.

Das frühzeitige und schmachvolle Ende der Lo-sche wird ihren Sünden, in einem früheren Zustand ihres Daseins, beigemessen. Der Schreiber der Ballade läßt sie ihr Schicksal bejammern, und die Geister ihrer entschlafenen Eltern anrufen, sie mögen sich bei den Herrschern der Unterwelt verwenden, daß es ihr gestattet werde, sie in unsichtbarem Zustand zu bedienen.

Die zum Tod verurteilten Verbrecher müssen zum Hinrichtungsplatz gehen, und man gibt ihnen ein Brot zu essen. Verhärtete Räuber essen wohl das Brot, und lachen und scherzen darüber, daß sie nun bald in Schin-sün – göttliche Geister oder Engel – verwandelt werden. Die unglückliche Lo-sche bekam ebenfalls ein Brot, konnte aber nicht gehen, und wurde daher in einer Art von Korb von Leuten auf den Schultern getragen. Die Scharfrichter erzählten ihr bis zum letzten Augenblick Lügengeschichten. Dann verhöhnten sie sie, indem sie ihr sagten, sie würde nun bald ein Engel werden. Eine der Balladen enthält einige Unanständigkeiten, und in allen diesen Schriften spricht sich eine große Hartherzigkeit aus.

Man zwang den Gatten bei der Hinrichtung seiner Frau gegenwärtig zu sein, und er erhielt 50 Schläge, weil er Tränen dabei vergoß! Man warf ihm nämlich vor, er habe mehr Anteil an seiner Gattin genommen, als an seiner Mutter.“


Annalen der deutschen und ausländischen Criminal-Rechts-Pflege. Hg. von dem Criminal-Director Hitzig in Berlin. Viertes Heft. Berlin 1828, S. 373f.

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