Nach sechsjähriger Strafzeit entschloß sie sich, ein Geständnis abzulegen. Es schien ihr, als wenn die Beamten glaubten, daß sie nicht nur ein Raubtier sei. Sie hatte immer gewußt, daß das Verbrechen scheußlich war, nun wollte sie sich endlich dazu bekennen. So ließ sie sich zum Direktor des Zuchthauses führen und gestand alles. Es gehört Mut dazu, vor einem verfehlten Leben zu stehen und sich Rechenschaft abzulegen. Die meisten Verbrecher umgehen das, sie finden Auswege, kleine Schlupfwinkel, weil sie nicht ertragen können, ihre Tat in aller Deutlichkeit zu sehen. Und gerade die rohesten Verbrechen werden dann irgendwie umgedichtet, weil das Menschenhirn die Erkenntnis des Furchtbaren nicht ohne Trübung ertragen kann.
Wie oft hatte die Mörderin (es handelte sich um eine 66jährige, zweifache Raubmörderin- Anmerkung Kirchschlager) in diesen sechzehn Jahren zurückgedacht und sich gefragt, warum das alles so gekommen war. Ihre fünf Geschwister bleiben unbescholten, warum mußte sie als Aelteste zur Verbrecherin werden? Die Erziehung im Elternhaus war sehr streng, die Eltern mußten unermüdlich arbeiten, um die Kinder zu ernähren. Als kleines Kind wurde sie zu kinderlosen Verwandten gegeben, die sie bis zum fünfzehnten Jahre erzogen. Da hatte sie ein gutes Leben, ihr wurde mancherlei erlaubt, Onkel und Tante hatten sie gern und sie fühlte sich recht eigentlich zu Hause. Als sie dann zu ihren Eltern zurückkehrte und mitverdienen sollte, das Geld abgeben und sich einfügen, wollte es ihr gar nicht gefallen. Da lief sie mehrfach fort und vagabundierte tagelang. Etwas Wildes war in ihr, das nach Freiheit verlangte und die Einengung zu Hause und das immer Gehorchenmüssen nicht ertrug. Wenn sie dann irgendwo herumlief, stahl sie, um sich Essen und Obdach zu verschaffen.
Mit sechzehn Jahren bekam sie eine Gefängnisstrafe von zwei Tagen, im darauffolgenden Jahre wurden es vier Monate. Mit achtzehn Jahren verbüßte sie eine Strafe von einem Jahre sechs Monaten. Dann hielt sie sich vier Jahre, beging später einen Rückfalldiebstahl und mußte zwei Jahre Zuchthausstrafe verbüßen. Es folgten kleine Strafen und dann wurde sie wieder mit drei Jahren Zuchthaus wegen Rückfalldiebstahls bestraft. Eine Pause von acht Jahren liegt dazwischen. Sie arbeitete, nähte fleißig für ihre Kunden, verdiente sich ehrlich ihr Brot, aber sie war zu bekannt unter den Bestraften. Wo konnte man besser sein Diebesgut abstellen als bei ihr? Und schließlich war sie ja auch eine erfahrene Frau und konnte einmal eine gewerbsmäßige Abtreibung wagen. Sie wurde wegen eines Falles angezeigt und bekam ein Jahr Gefängnis. Andere Fälle waren nicht herausgekommen.
Lenka von Koerber, geb. Helene Irmgard Louise von der Leyen (* 16. März 1888 in Niedeck/Westpreußen; gest. 21. Juli 1958 in Leipzig) war eine deutsche Journalistin und Schriftstellerin. Sie wurde als Tochter eines Rittergutsbesitzers in Niedeck/Westpreußen geboren, studierte Malerei in Berlin, heiratete im Juli 1914 und zog dann mit ihrem Ehemann Egbert von Koerber nach London. Nach Deutschland zurückgekehrt, fiel ihr Mann 1916 in der Schlacht an der Somme. Lenka von Koerber schloß sich der Friedensbewegung an und war von 1918-1930 Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei an. In der Weimarer Republik war sie war sie eine der ersten, die Schöffin und Geschworene wurde. Lenka von Koerber war als ehrenamtliche Bewährungshelferin tätig und trat für eine grundlegende Reform des Strafvollzugs ein. Ihre Erfahrungen in der Gefangenenfürsorge publizierte sie in Zeitungsartikeln und Büchern. Literarische Schwächen und der Glaube an den Reformwillen im deutschen Strafvollzug brachten ihr eine scharfe Kritik von Kurt Tucholsky ein.
1932 fuhr sie mit Unterstützung von Clara Zetkin und Nadeschda Konstantinowna Krupskaja für sieben Monate in die UdSSR, um sich über die neuen Methoden des Strafvollzugs in der Sowjetunion zu informieren. Sie war die erste ausländische Journalistin, die Zugang zu den Gefangenenlagern und Gefängnissen erhielt. Sie war sehr beeindruckt von den Erfolgen bei der sozialen Wiedereingliederung von Strafgefangenen in der Sowjetunion (Methoden nach Anton Semjonowitsch Makarenko). Noch 1933 erschien ihr Buch „Sowjetrußland kämpft gegen das Verbrechen“ beim Rowohlt-Verlag. Das Werk wurde kurz darauf verboten und verbrannt. Sie hatte trotz Hausdurchsuchung und kurzer Inhaftierung durch die Gestapo, aus der sie durch Eingreifen des damaligen Oberbürgermeisters von Leipzig Carl Friedrich Goerdeler befreit wurde, engen Kontakt zu Kreisen des Widerstandes.
Nach dem 2. Weltkrieg wurde sie Mitglied des Deutschen Schriftstellerverbandes und setzte ihre Tätigkeit als Journalistin, Fotografin und Schriftstellerin in Leipzig fort. In ihren Publikationen engagierte sie sich für straffällig gewordene Jugendliche. Bekannt wurden auch ihre Bücher über den Leipziger Thomanerchor und über Käthe Kollwitz. (Quelle: Wikipedia)