Das wußte ein Bekannter und er fing an, die Situation auszunutzen. Er hatte sie in der Hand. Wenn er alles sagte, bekam sie eine lange Zuchthausstrafe. Mochte sie lieber für ihn stehlen, er hatte dann mehr davon als von der Anzeige.
Vor dieser langen Strafe hatte sie eine schreckliche Angst. Sie kannte das Zuchthausleben zu genau und wollte ihm irgendwie entrinnen. Aber der Erpresser blieb unerbittlich. Da entschloß sie sich, für ihn zu stehlen. Aber wie sollte sie zu der großen Summe kommen, die der Mann von ihr verlangte?
Sie ging im Park spazieren und setzte sich auf eine Bank. Eine gut angezogene alte Dame saß neben ihr und es gelang ihr bald, mit ihr ein Gespräch anzuknüpfen. Man sprach über die schlechten Zeiten, und wie wenigen Menschen es vergönnt sei, ihren Lebensabend ohne Sorgen zu erwarten. Die alte Dame erzählte, daß sie keine Not litte. Sie bekam eine kleine Rente und hatte noch einen Spargroschen im Kommodekasten liegen.
Sie plauderten eine lange Zeit, und als sie sich trennten, lud die neue Bekannte die Vorbestrafte ein, sie in ihrer Wohnung zu besuchen.
Der Plan war gefaßt. Aber wie sie da so friedlich bei einer Tasse Kaffee saßen und die alte Dame vertraulich plauderte, trat ihr die Gemeinheit ihres Vorhabens mit so krasser Deutlichkeit vor Augen, daß sie unverrichteter Dinge wieder nach Hause ging.
Der Erpresser wurde nun ernergisch und sagte, er lasse sich nicht dauernd an der Nase herumführen, sie wisse genau, welche schwere Strafe ihr drohe, wenn er alles, aber auch alles ans Licht bringe. Da ging sie wieder zu der Rentnerin. Die alte Dame war erfreut, daß sie ihr Gesellschaft leisten wollte. Sie sprachen lebhaft miteinander, dann ging die Gastgeberin zum Blumentisch, um ihr eine neuerblühte Pflanze zu zeigen. Die Mörderin trat leise vor und warf ihr von hinten eine Schlinge um den Hals. Lautlos sank ihr Opfer zu Boden.
Das alles erzählt die grauhaarige Frau, als ich in ihrer Zelle sitze. Sie schiebt die Brille zurecht und zuckt zusammen. Damals packte sie das Grauen. Sie mußte sich zusammenraffen, um die dreihundert Mark aus der Schublade zu stehlen.
Nach sechs Wochen fing der Erpresser wieder an, Geld zu fordern. Sie wußte ja nun, wie vertrauensselig die Menschen sind. Es war ja nicht herausgekommen, vielleicht glückte es auch ein zweites Mal. Sie brachte eine Dame, die sie im Parke traf, dazu, ihr mancherlei zu erzählen. Dieses Mal konnte sie eine größere Beute erwarten, denn die Rentnerin bewahrte 1500 Mark in ihrer Wohnung auf. Sie hatte sich allerdings schon überlegt, ob sie das Geld nicht lieber einer Bank anvertrauen sollte. Da hieß es schnell handeln. Schon am nächsten Morgen ging sie unter einem Vorwand zu der alten Dame und erdrosselte sie auf dieselbe Weise wie ihr erstes Opfer. Dann suchte sie nach dem Gelde. Aber sie fand gar nichts, nur ein wenig Schmuck. Später hörte sie, daß eine Verwandte das Geld kurz vorher der Bank übergeben hatte.