Anna Sotmeyer – Das scheußlichste Weib der Welt (Frankfurt an der Oder – 1724) Teil 2

In der Nacht vom 19. zum 20. Mai 1723 ging die Sotmeyer wie besprochen um elf Uhr in ihren Stall und legte dort das Feuer an. Zu gleicher Zeit gingen die beiden unbekannten Kerle und der Schneider Gottlieb, jeder mit Kluten versehen, aus dem Haus und warfen sie auf verschiedene Dächer. Wie die Anzündung geschah, entflohen die beiden unbekannten Kerle sowie die Holle, die Tochter der Sotmeyer. Man konnte ihrer nicht wieder habhaft werden.

Die alte Sotmeyer stellte den übrigen Verschworenen den einen als ihren Schwiegersohn Holle und den anderen als ihren Sohn Johann vor. Allein bei der näheren Untersuchung zeigte sich, daß beide, der wirkliche Holle und Johann Sotmeyer, in sächsischen Kriegsdiensten standen und ihre Garnisonen zu diesem Zeitpunkt nicht verlassen hatten.

Es war ein beträchtlicher Fehler dieser Untersuchung, daß man nicht mehr Fleiß und Künste anwandte, um zu erfahren, wer diese beiden Unbekannten waren. Denn daß dieser Umstand nicht in das gehörige Licht gesetzt wurde, verbreitet eine gewisse Dunkelheit über die ganze abscheuliche Tat. Das umständliche Bekenntnis des Schneiders Gottlieb wurde noch durch das Bekenntnis des jungen Neumann und die Aussage der Maria Elisabeth Neumann und zweier in dem Haus der Sotmeyer erzogenen jungen Kinder unterstützt.

Auch die alte Sotmeyer bekannte, nachdem sie eine halbe Stunde in der Jungfer gesessen hatte, daß sie das Feuer in ihrem Stall selbst angelegt hatte und daß die Brennmaterialien in ihrem Haus bereitet worden waren. Allein sie widerrief dieses Bekenntnis vollständig im Artikelverhör, und zwar in der Art, daß sie schon „Nein“ schrie, ehe die Frage überhaupt gestellt wurde. Das brachte sie nach damaliger Sitte auf die Tortur. Alles gütliche Zureden, daß sie sich nicht unnützer Weise martern lassen sollte, half nichts. Sie sagte, die Gerichte möchten tun, was sie wollten.

Wie ihr ein Prediger ihre Bosheit zu Gemüte führen wollte, sagte sie: „Sch … Bosheit.“ Auf der Marterkammer wurde sie beim Erblicken der Instrumente zwar etwas blaß, erholte sich aber bald wieder. Bei Anlegung der Daumschrauben sagte sie: „Nu, Nu.“ Wie ihr der Scharfrichter versicherte, er würde ihr die Daumen abschrauben, erwiderte sie: „Möget ihr doch wohl.“ Bei Anlegung der Schnüre schrie sie etwas. Auf Zureden, daß sie es nicht aushalten würde, schrie sie: „Mag.“, knirschte mit den Zähnen und spuckte verächtlich aus. Bei Anzündung der neuen Lichter, worauf man sie aufmerksam machte, rief sie: „Mögen sie doch brennen.“ Der Scharfrichter drohte, sie härter anzugreifen, worauf sie ihn bat, den gespickten Hasen auch nur kommen zu lassen.

Nach der Tortur ließ sie sich keine Schmerzen anmerken, lachte den Stockvogt aus, daß er ihr Salbe zum Einschmieren brachte, und fragte: „Wie kommen doch die Herren darauf und geben noch Geld für Salbe aus?“ Da ihr der Stockvogt auf ihre Frage, ob sie den Montag wieder auf die Tortur kommen würde, antwortete, sie könne wohl noch öfter kommen, sagte sie: „Ich werde es mit Gottes Hilfe auch ausstehen.“

In der Nacht vom 28. zum 29. Juli 1724 gegen Morgen wurde dem Urteil gemäß Andreas Sotmeyer abermals in die Marterkammer gebracht und dem Scharfrichter übergeben. Dieser legte ihm die Instrumente vor, führte ihn zur Leiter und entkleidete ihn. Der Inquisit war ganz still. Man ermahnte ihn gütlich zu gestehen, aber er tat es nicht. Wie ihm nun der Scharfrichter die Daumenschrauben anlegte, erklärte Sotmeyer, daß er bekennen wolle. Über seine Mutter sagte er aus, sie habe glühende Kohlen vom Feuerherd in einen Napf oder Topf gescharrt und sei damit in den Stall gegangen. Selbigen habe sie unter die Krippe gesetzt, und darauf von dem vermischten Pech und Schwefel getan, soviel wie sie in der Hand halten konnte. Das Stroh nahm sie dazu aus dem Stall.

Am 19. Juli 1724 erfolgte die Bestätigung des Gutachtens des Königlichen Kriminalsenats durch den König und die Weiterleitung an das Stadtgericht von Frankfurt an der Oder. Johann Friedrich Gottlieb sollte lebendig verbrannt und Maria Elisabeth Neumann mit dem Schwert vom Leben zum Tod zu bringen sein. Sodann sollte auch sie, anderen zum abscheulichen Exempel, auf einen Scheiterhaufen geworfen und verbrannt werden. Dieses Urteil wurde am 4. August an Gottlieb und am 4. September acht Uhr morgens an der Neumann vollzogen. Beide wurden vor der Hinrichtung nochmals vernommen, blieben bei ihrer Aussage und besiegelten ihr Bekenntnis mit dem Tod.

Exemplarisch soll an dieser Stelle Gottliebs Hinrichtung geschildert werden, zeigt sie doch in anschaulicher Weise das Prozedere einer Exekution zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Johann Friedrich Gottlieb gestand nochmals vollständig sein Verbrechen und bestätigte es öffentlich vor der gehegten Bank. Dann wurde ihm das Urteil nebst der Bestätigung des Königs vom Secretario Judicii öffentlich vorgelesen und vom Stadtrichter Johann Martin Rieffenstahl der Stab über ihm gebrochen. Hierauf nahm der Scharfrichter den Malefikanten und band ihm die Hände. Nun wurde er unter einer Eskorte der Garnison zum Richtplatz gebracht. Wie er nun nochmals sein Glaubensbekenntnis an der Richtstätte ablegte und von Herrn Magister Seyffart eingesegnet wurde, mußte er den Scheiterhaufen hinauf.

Als er diesen hinaufstieg erließ er noch ein kurzes Monitum an die Herumstehenden, besonders an die Eltern, ihre Kinder gut zu erziehen, denn wenn er die gehörige Zucht gehabt hätte, würde er vielleicht nicht in diesen Jammerstand gekommen sein. Nachdem er abermals herzlich betete, legte der Scharfrichter ihm die Kette um den Hals und Leib und band ihn fest an den Pfahl. Und als solches geschehen war, wurde der Scheiterhaufen angesteckt und Johann Friedrich Gottlieb lebendig verbrannt.

Der Junge Johann Christoph Neumann, per Urteil verpflichtet, dieser Exekution zuzusehen, vergoß keine Träne. Beim Tod seiner Schwester aber, weinte er bitterlich und bestätigte sein Bekenntnis, daß seine Mutter und die alte Sotmeyer ihre Brandstiftung nicht leugnen könnten.

Andreas Sotmeyer, der bekannte und bereute, sollte nach dem Gutachten des Königlichen Kriminalsenats mit dem Schwert hingerichtet und sein Körper anschließend verbrannt werden. Da er aber an einer Geschwulst am linken Knie litt, zusätzlich wohl Todesangst und in der Tortur erlittene Schmerzen und Wunden hinzukamen, verschlimmerte sich sein Gesundheitszustand beträchtlich. Da man nun sah, daß der Inquisit den Montag (4. September 1724), der zur Exekution angesetzt war, schwerlich erleben würde, hielt man es für nötig, um dem Urteil zu entsprechen, den Exekutionstermin vorzuziehen. Er sollte, falls er bis zum 2. September leben sollte, in der Frühe herausgeführt und exekutiert werden. Allein der Tod kam zuvor. Der Inquisit starb am 1. September 1724 nachts um zehn Uhr.

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