Die französischen Bagnos – Teil 2

„Eine an Zahl sehr schwache Verwaltung hat das schwere, aber wichtige Amt die Verbrecher zusammen zu halten, zu verwenden und zu bewachen; für ihre Nahrung und Kleidung zu sorgen; die geringen Löhne auszuzahlen, welche für die schwierigsten Arbeiten bewilligt sind; die Vergehen zu bestrafen und für gute Aufführung zu belohnen; die etwaigen Beschwerden entgegen zu nehmen und darüber zu richten; den Briefwechsel mit den Angehörigen der Verbrecher zu führen; die genaueste Rechnung von einem ebenso umständlichen als verwickelten Dienste abzulegen; ununterbrochen die Verbindung mit allen Behörden des Reichs, den Marine=, Civil=, Militair= und richterlichen Behörden zu unterhalten, und endlich alle die unzähligen Einzelheiten zu besorgen, welche man sich leicht denken kann, wenn es sich um eine Masse von 3 bis 4000 Verbrechern in einem und demsleben Gefangenenhause handelt.

Diese Verwaltung führt ein Marinecommissar, welcher den Titel Chef du service des chiourmes – Director des Ruderdienstes – führt. Ein zweiter Beamter mit dem Titel Agent contable – Rechnungsführer – hat das ungeheure Rechungswesen zu führen und als Gehülfen sind ihm nur zwei odeer drei Marinebeamten beigegeben. Die Untergebenen der beiden Beamten heißen Adjutanten oder Unteradjutanten und zerfallen in drei Classen; indeß haben sie trotz der Schwierigkeiten und der Gefahren ihrer Stellung nur den geringen Gehalt von 1500, 1200 und 1000 Francs. Endlich hat jeder Bagno eine stärkere oder schwächere Militairwache, die aus den gardes chiourmes besteht, in Corporalschaften eingetheilt ist und von Feldwebeln, Unterofficieren und Corporalen commandiert wird. Nachdem wir diese Nachrichten vorausgeschickt, begleiten wir einen Verurtheilten, der eben nach dem Bagno kommt.

Wenn derselbe von einem entfernten Assisenhofe gerichtet worden ist, dann hat er, ehe er von dem Zellenwagen, der zur Fortschaffung der Strafgefangenen gebraucht wird, heruntersteigt, mehrere Tage und Nächte in einem engen Raume eingeschlossen zugebracht, wo er sich nicht rühren, wo er kaum die zum Leben nöthige Luft schöpfen konnte. Seine Augen schließen sich wider seinen Willen, so sehr blendet ihn das Tageslicht; seine Füße sind angeschwollen und alle seine Gliedmaßen thun ihm so weh, daß man ihn bis zu der Schaluppe, welche im Hafen auf ihn wartet, tragen oder wenigstens führen muß. Diesen Dienst erweisen ihm seine zukünftigen Lebensgefährten. Der Director ist fast stets in Person gegenwärtig, wenn der Zellenwagen ankommt und es einen Verurtheilten zu empfangen giebt. Nachdem die für die neuen Ankömmlinge bestimmten Plätze besetzt sind, bewegt sich die Schaluppe auf den Bagno los, gerudert von Galeerensklaven, gesteuert von einem freien Schiffer. Zwischen den Gefangenen stehen Wachen. Die Schaluppe durchschneidet rasch die Wogen und bald gelangen die Verurtheilten in das entsetzliche Gefängniß, dessen Mauern der größte Theil von ihnen niemals wieder verlassen soll. (…) Sobald sie in dem Bagno gelandet, führt man sie auf das Bureau des Marinecommisairs; man läßt sie auf einer Bank niedersitzen und der Director schreitet mit dem Beistande der Aufseher und Unteraufseher sofort zur Prüfung ihrer Papiere, überzeugt sich von der Identität der Ankömmlinge und trägt sie in die Verzeichnisse des Bagnos ein. Von nun an haben sie nicht einmal einen Namen; die Nummern, unter der sie eingeschrieben sind, dient für die Zukunft zur Bezeichnung ihrer Persönlichkeit. Sobald sie das Bureau des Commissars verlassen, werden sie nach dem Badesaale geführt. Dort wäscht man sie in einer hölzernen Wanne; Galeerensklaven reiben sie mit einem groben Schwamme ab, während andere das Wasser ablaufen lassen und die Wanne immer wieder mit frischem Seewasser füllen. Auch bei dieser Operation sind Aufseher und Wachen gegenwärtig; sie dauert nur wenige Minuten. Kaum gereinigt, begiebt sich der Neuangekommene aus der Kufe in einen benachbarten Saal, wo der Arzt der Anstalt – ein Marinechirurg I. Classe – ihn vom Kopf bis zu den Füßen sorgfältig untersucht. Auf unserer Abbildung steht an der Seite des Doctors ein Galeerensklave; er hält in der einen Hand ein Brettchen, auf dem ein Bogen Papier liegt, und in der andern eine Feder. Es ist der Schreiber des Arztes, der alle seine Bemerkungen aufzuzeichnen hat. Die Kranken werden sogleich in das Hospital geschickt und erhalten dort alle Pflege, welche ihr Zustand erfordert. Wenn die Untersuchung des Arztes beendigt ist, dann erhalten die als gesund Erachteten Kleidungsstücke von der Anstalt, welche in folgenden Gegenständen bestehen: 1) eine Casacke oder ein Kittel von rothem Zeuge; 2) eine Hose von gelbem Zeug für den Winter und von Leinwand für den Sommer; 3) zwei Hemden von grober ungebleichter Leinwand; 4) ein Paar große nägelbeschlagene Schuhe; 5) eine Mütze von rother oder grüner Wolle; grün für die lebenslänglich, roth für die auf Zeit Verurtheilten. Jede Mütze hat ein Schild, auf welches die Nummer ihres Besitzers eingegraben ist. Seit einigen Jahre giebt man den Gefangenen, für den Fall, daß e sregnet, da sie keinen Kittel zum wechseln haen, eine Art Leinenmantel, auf dem mit großen rothen Buchstaben das Wort Bagno geschrieben steht. Sobald sie diese Kleidung angethan haben, begeben sie sich in Begleitung von Aufsehern und Wachen n einen der Säle der auf Lebenszeit Verurtheilten. Dort werden sie beinahe kahl geschoren und der Haarschneider trägt Sorge, daß er eine Anzahl von Stufen macht, damit sie um so leichter wieder zu erkennen seien, wenn sie etwa entwischen sollten. Drei Viertel des Lebens bringen die Galeerensklaven in einem Sale zu, ähnlich dem, worin diese Verrichtung vor sich geht, und welchen unsere Illustration darstellt.“

Die Haarschur.

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