Frank Esche: Der Gräfenthaler Weibsteufel

Aus: Thüringer Mord-Pitaval, Band I

In den Mittagsstunden des 18. Novembers 1928 liefen die Telefondrähte in Thüringen heiß. Aus dem Waldstädtchen Gräfenthal wurde ein bestialischer Doppelmord an dem hoch betagten Uhrmachermeisterehepaar Richard und Lina Grosch gemeldet. Der grausame Doppelmord in der geräumigen Mietwohnung des Eckhauses Markt-Judengasse sollte über die Grenzen Thüringens hinaus Schauder und Entsetzten auslösen.

Es gingen einige Monate ins Land, bevor die Untersuchungsbehörden der vermeintlichen Doppelmörder habhaft werden konnten, denn diese hatten keine Spuren hinterlassen. Die vom 7. bis 13. Juli 1931 vor dem Rudolstädter Schwurgericht statt gefundenen Verhandlungen sollten den Indizienbeweis der Täterschaft erbringen. Die Beweisaufnahme erwies sich allerdings als außerordentlich schwierig und die Wahrheitsfindung entwickelte sich zu einem der bedeutendsten Sensationsprozesse in der Zeit der Weimarer Republik.

Zum Auftakt des „Paschold-Prozeßes“ berichtete am 7. Juli genannten Jahres die „Schwarzburg-Rudolstädtische Landeszeitung“ aus dem Rudolstädter Schwurgerichtssaal:

Der Prozeß gegen Klara Paschold und Genossen vor dem Schwurgericht begegnet nicht nur in Thüringen, sondern auch im Reiche größtem Interesse. Die Karten für das Publikum waren schon seit einiger Zeit ausverkauft. Der Zuschauerraum ist völlig besetzt. Die Presse ist in einer in Rudolstadt noch nie gesehenen Zahl vertreten. Ueber dem Schwurgerichtssaal liegt die eigentümliche Spannung eines großen Tages, die sich noch erhöht, als die 22jährige in die Anklagebank geführt wird. Die Angeklagte ist bleich von der langen Haft, unterhält sich aber munter und lebhaft mit ihren Wärtern. Sie ist eine kleine, hübsche Person, mit dunkelbraunen, rechtsgescheiteltem Bubikopf, dunklen, lebhaft glänzenden Augen, von guter Figur. Auch Dachdecker Werner und der Maler Zange sitzen in der Anklagebank, getrennt von ihrer Tatgenossin.“

Im Ergebnis des Indizienprozesses in dem sich Klara Paschold heftige, von Wutausbrücken begleitete Auseinandersetzungen mit Zeugen und dem Richter lieferte, erfolgte am 13. Juli 1931 das Urteil: Die beiden Angeklagten Paschold und Werner sind schuldig, gemeinschaftlich und vorsätzlich zwei Menschen getötet und die Tötung mit Überlegung ausgeführt zu haben. Zange wurde freigesprochen.

Das Gericht verurteilte das kaltblütige Paar Pachold und Werner wegen zweifachen Mordes zweimal zum Tode. Der Mord sei in „völliger Geistesruhe und mit kaltem Blute“ erfolgt. Die Täter hätten die Morde monatelang vorbereitet und „von Anfang bis zu Ende im bewußten und gewollten Zusammenwirken gehandelt; Werner hat auch die Tat der Paschold und sie diejenige des Werner als eigene Tat gewollt […]. Sie müssen auch für ihre schweren Verfehlungen strafrechtlich verantwortlich gemacht werden, da eine krankhafte Veränderung des Geisteszustandes bei keinem der beiden Angeklagten vorlag. Das steht nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung und insbesondere nach dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Hilpert, wonach die Paschold insbesondere eine sehr intelligente, jedoch zu Gewalttätigkeit neigende Person mit rohem Gemüt ist, einwandfrei fest.“

Die Todesstrafen wurden 1932 in lebenslange Haft umgewandelt, der Strafvollzug für die Verurteilten sollte jedoch 1944 bzw. 1945 eine unerwartete Wendung erfahren.

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