Linguistik vs. gendergerechte Sprache

Seit 2020 hat die Verwendung der sogenannten gendergerechten Sprache im öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) in erheblichem Maße zugenommen. Ausgangspunkt dieser Sprachpraxis ist die Bewertung des generischen Maskulinums als diskriminierende Sprachform, die wir als Sprachwissenschaftler und Philologen zurückweisen. Wir fordern eine kritische Neubewertung des Sprachgebrauchs im ÖRR auf sprachwissenschaftlicher Grundlage.

Die Sprachverwendung des ÖRR ist Vorbild und Maßstab für Millionen von Zuschauern, Zuhörern und Lesern. Daraus erwächst für die Sender die Verpflichtung, sich in Texten und Formulierungen an geltenden Sprachnormen zu orientieren und mit dem Kulturgut Sprache regelkonform, verantwortungsbewusst und ideologiefrei umzugehen. Mehr als drei Viertel der Medienkonsumenten bevorzugen Umfragen zufolge den etablierten Sprachgebrauch – der ÖRR sollte den Wunsch der Mehrheit respektieren.

Genus und Sexus

Das Konzept der gendergerechten Sprache basiert auf der wissenschaftlich umstrittenen Vermengung der Kategorien Genus und Sexus. Genus ist eine innersprachliche grammatische Kategorie, Sexus eine außersprachliche, die das biologische Geschlecht einer Person bezeichnet. Wörter wie “die Person”, “der Mensch”, “das Opfer” zeigen, dass zwischen Genus und Sexus im Deutschen keine durchgängige Korrelation besteht (auch wenn eine solche bei Personenbezeichnungen teilweise zu beobachten ist). Ein Maskulinum wie “Mensch” kann daher eine Frau bezeichnen, das Femininum “Person” einen Mann. Ebenso kann ein generisches Maskulinum wie “Kunden” Menschen jeglichen Geschlechts bezeichnen. Genus und Sexus müssen also nicht gekoppelt sein.

Sprachhistorische Untersuchungen belegen, dass das generische Maskulinum keineswegs (wie Vertreter der Genderlinguistik behaupten) erst in jüngerer Zeit Verwendung fand, als Frauen verstärkt in Männerberufe vordrangen. Bereits im Althochdeutschen finden sich Belege für eine inklusive, also geschlechtsneutrale Verwendung des Maskulinums (Trutkowski/Weiß 2022). Das Deutsche verfügt also bereits seit Jahrhunderten über ein Mittel, geschlechtsneutral zu formulieren. Ein Bedarf für das Erstellen von Neuformen besteht grundsätzlich nicht.

Die deutsche Grammatik ist weder “gerecht” noch “ungerecht” – Gerechtigkeit ist eine ethische Kategorie, die zur Beschreibung grammatischer Strukturen nicht tauglich ist. Dass das generische Maskulinum Frauen (und nichtbinäre Identitäten) „ausschließe“ oder nur “mitmeine”, ist eine Behauptung, die auf einer Fehlinterpretation grammatischer Strukturen basiert (Hackstein 2021).

Als Sprachwissenschaftler und Philologen kritisieren wir ferner, dass an Stelle von sprachsystematischen und sprachlogischen Betrachtungsweisen zunehmend psycholinguistische Studien herangezogen werden, um Veränderungen des Sprachgebrauchs zu legitimieren. Diese Studien liefern keinen belastbaren Beleg dafür, dass generische Maskulina mental vorrangig „Bilder von Männern“ erzeugen. Vielmehr zeigt sich, dass die Kontextbindung, die zur Unterscheidung eines generischen von einem spezifischen Maskulinum entscheidend ist, in solchen Studien in wissenschaftlich unzulässiger Weise ausgeblendet wird. Es kann mithin aufgrund fehlerhafter Studiendesigns nicht als empirisch gesichert gelten, dass generische Maskulina (Genus) vorrangig im Sinne von “männlich” (Sexus) gelesen werden (Zifonun 2018, Payr 2022, Kurfer 2022). Die pauschalisierende Bewertung des generischen Maskulinums als grundsätzlich diskriminierende Sprachform ist auf wissenschaftlicher Basis nicht begründbar.

Auch andere zentrale Thesen der “gendergerechten Sprache” halten einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht stand, etwa die abwegige Behauptung von der angeblichen “Unsichtbarkeit” der Frau in der deutschen Sprache (Pusch: “Das Deutsche als Männersprache”) oder die These, mit einem Eingriff in sprachliche Strukturen könnten gesellschaftliche Veränderungen bewirkt werden (sprachidealistische Position).

Wir weisen auch darauf hin, dass Gendern zu einer ausgeprägten Sexualisierung der Sprache, also zu einer permanenten Betonung von Geschlechterdifferenzen führt. Daher wird das wichtige Ziel der Geschlechtergerechtigkeit konterkariert und Gendern von einigen Debattenteilnehmern auch als sexistisch bezeichnet. (Pollatschek 2020). Im Hinblick auf das angestrebte Ziel – Geschlechtergerechtigkeit – ist Gendern also dysfunktional.

ÖRR missachtet geltende Rechtschreibnormen

Der Rat für Deutsche Rechtschreibung hat im März 2021 explizit darauf hingewiesen, dass Gender-Sonderzeichen wie Genderstern, Doppelpunkt oder Unterstrich nicht dem amtlichen Regelwerk entsprechen, da diese Formen Verständlichkeit sowie Eindeutigkeit und Rechtssicherheit von Begriffen und Texten beeinträchtigen. Diese Missachtung der gültigen amtlichen Rechtschreibregeln ist nicht mit dem im Medienstaatsvertrag formulierten Bildungsauftrag der Sender vereinbar. Statt ihrer Vorbildfunktion gerecht zu werden, praktizieren und propagieren die Sender in ihrer Schriftnutzung (vor allem in den Online-Formaten) orthografische Freizügigkeit jenseits der verbindlichen Regeln. Auch die gesprochene Realisierung des Gendersterns – mit Glottisschlag – entspricht nicht der geltenden Aussprachenorm.

Ideologische Sprachpraxis widerspricht dem Neutralitätsgebot

Wir fordern die Abkehr von einem Sprachgebrauch, der stark ideologisch motiviert ist und überdies – so zeigen es alle aktuellen Umfragen – von der Mehrheit der Bevölkerung (ca. 75-80 %) eindeutig abgelehnt wird (> Umfragen). Es ist bedenklich, wenn immer mehr Journalisten in Unkenntnis der sprachwissenschaftlichen Fakten den Jargon einer lautstarken Minorität von Sprachaktivisten in der Öffentlichkeit verbreiten und sich hierbei fälschlicherweise auf “Sprachwandel” berufen.

Nicht zuletzt sorgt die vielfach mit moralisierendem Gestus verbundene Verbreitung der Gendersprache durch die Medien für erheblichen sozialen Unfrieden und das in Zeiten, in denen ohnehin zahlreiche gesellschaftliche Spaltungstendenzen zu beobachten sind. Auch diesen gefährlichen Partikularisierungs- und Polarisierungstendenzen in der Gesellschaft leistet Gendern Vorschub.

Der forcierte Gebrauch gegenderter Formen befindet sich nicht im Einklang mit dem Prinzip der politischen Unparteilichkeit, zu der alle Sender gemäß Medienstaatsvertrag verpflichtet sind. So stammt das Projekt der “gendergerechten Sprache” ursprünglich aus der feministischen Linguistik und wird heutzutage vorrangig von identitätspolitisch orientierten universitären Gruppierungen rund um die Social-Justice-Studies vorangetrieben (Ackermann 2022, S. 143). Gendersprache ist ein akademischer Soziolekt, der die Diskursvorherrschaft anstrebt. Zu dieser ideologisch begründeten Sprachform muss der ÖRR kritische Distanz wahren.

Zur Klarstellung: Das Bemühen um Geschlechtergerechtigkeit auch im Sprachgebrauch ist ebenso legitim wie begrüßenswert und kann nicht pauschal als “ideologisch” qualifiziert werden. Dennoch haben ideologische Strömungen im Feminismus und auch die Identitätspolitik ganz maßgeblich die Entwicklung der Gendersprache geprägt und dominieren die auch mit moralischen Argumenten geführten Debatten heute noch. Vorwiegend aus diesem Grund werden aktuelle Diskussionen selten auf sprachpragmatischer, kommunikationstheoretischer oder sprachwissenschaftlicher Basis geführt, wie von diesem Aufruf gefordert. Eine sachliche Diskussion über die Zweckmäßigkeit der vorgeschlagenen Sprachmodifikationen im Interesse der Geschlechtergerechtigkeit wird so verhindert.

Keine neutrale Berichterstattung über Gendern

Die Berichterstattung des ÖRR über den Themenbereich Gendersprache ist unausgewogen, vielfach tendenziös und dient im Wesentlichen der Legitimation der eigenen Genderpraxis:

  • Befürworter erhalten einen deutlich größeren Redeanteil
  • Werden “Experten” konsultiert, so stammen diese vorrangig aus dem Lager der Befürworter.
  • Moderatoren bekennen sich zum Gendern

In den Medien des ÖRR überwiegt eine positive Darstellung des Genderns. Kritiker werden nicht selten als reaktionär, unflexibel und frauenfeindlich geschildert. (> Belege)

“Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache; dass er überall dabei ist, aber nirgendwo dazugehört.”

Hanns Joachim Friedrichs

Aus dem Medienstaatsvertrag:

§ 26 (2) Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben bei der Erfüllung ihres Auftrags die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit ihrer Angebote zu berücksichtigen (MStV).

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Das Anklamer Richtschwert

THUE RECHT MEIDE DAS BOESE DANN DARFST NIE ZU DENKEN DAS ICH MEIN SCHWERT NACH DEINEM HALSE LENKE, so der Spruch auf dem Anklamer Richtschwert (Rückseite). Datiert ist das stählerne Schwert MDCLXXXXIV = 1694. Man kann es im Stadtmuseum der Stadt Anklam neben vielen anderen hochinteressanten Exponaten besichtigen. Das Stadtmuseum befindet sich zur Zeit noch in einem der imposanten Stadtmauertore www.museum-im-steinturm.de. Bücher zur Rechtsgeschichte findet man beim Verlag Kirchschlager auf www.verlag-kirchschlager.de !

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Der Mordstein von Sommersdorf

In Sommersdorf im Landkreis Vorpommern-Greifswald steht vor der Kirchhofsmauer an der Dorfstraße ein Mordstein (Mordwange). Er trägt folgende Inschrift: ANNO DOMINI MILESIMO CCCC°XXIII° HINRIK DE RAMIN OCCIS E A VILLAIS IN WARTIN. Übersetzt heißt das: Im Jahre des Herrn 1423 wurde Hinrik von Ramin von den Bauern in Wartin erschlagen. Der Sühnestein besteht aus gotländischem Kalkstein (Inschrift in gotischen Majuskeln, griech. Kreuz). Im Volksmund erzählt man sich, Hinrik von Ramin sei von Bauersfrauen mit Spindeln getötet wurden, weil er einer von ihnen Gewalt angetan hatte. (Lit. Hartmut Stange:Heimliches und Unheimliches zwischen Ueckermünde & Pekun, Strasburg & Löcknitz. Die Sagen und Legenden einer Region. 2014, S. 202.).

Foto Verf. im August 2022

Eine andere Sage berichtet, daß der Adlige Hinrik von Ramin, nachdem er eine Sommersdorfer Frau vergewaltigt hatte, daraufhin von Bauern aus dem Dorf verfolgt wurde. Er versuchte bei der Kirche um Asyl zu bitten, schaffte es jedoch nicht über die Kirchhofsmauer und wurde von den Bauern getötet.

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Neue Termine für Lesungen, Kreuzverhöre etc.

ACHTUNG!!! Trotz der dramatischen Teuerung bleiben unsere Buchpreise stabil!!!

Termine mit Buchverkauf und Signiermöglichkeit

11. Juni Schreibwerkstatt EF, nachmittags EGA EF Emil und die Burg der Trolle

13. Juni GS AM Wiesenhügel Ritterprogramm „Emil rettet Thüringen!“

17. Juni Lesenacht EF

23. Juni Termin, vergeben, Ritterprogramm auf der Mühlburg (geschl. Veranstaltung)

24. Juni Comma Gera, Kriminalisten im Kreuzverhör, u. a. mit Hans Thiers, Lutz Harder

25. Juni LG Thüringen der DBV Tagesexkursion

26. Juni Ritterprogramm in Angelhausen-Oberndorf auf dem Bolzplatz „Emil rettet Thüringen!“ – Ein Ritterspektakel für Jung und Alt

29. Juni GS Kaltenwestheim Ritterprogramm – Emil rettet Thüringen!

1. Juli, Freitag, Kriminalisten im Kreuzverhör, Theater Arnstadt (Lutz Harder, Hans Thiers, Moderation: M. Kirchschlager) – Mordfälle aus Arnstadt, Gotha, Erfurt, Ichtershausen, Thörey, Hermsdorf, Gera und angrenzender Gebiete

2. Juli Scheibwerkstatt EF

9.7. Schreibwerkstatt EF, danach KIKUNA Eisenach, 18 bis 22 Uhr Ritterprogramm ab ca. 18.30 Uhr u. 20.30 Uhr im Sitzungssaal des Eisenacher Rathauses – Ritter Michael und Drache Emil herrschen dann für kurze Zeit über Isenache in den Stadtmauern von 1261!

Dienstag, 12. Juli Museum Könitz, Emil rettet Thüringen! 2 x Ritterprogramm für alle Generationen

13. Juli EF Gesamtschule, Schulabschlußfest mit Ritter Michael

16. Juli Schreibwerkstatt EF

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Company Profile – Kirchschlager Publishing House

The Kirchschlager Publishing House was established as a family-owned business in 1995. The owner, Michael Kirchschlager, is a graduate historian. The publishing house specialises in historical true crimes such as Pitavals, crime chronicles and biographies of notorious criminals. Among the bestsellers are titles such as HISTORISCHE SERIENMÖRDER (Historical Serial Killers) in two volumes, KRIMINALCHRONIK DES DRITTEN REICHES (Chronicles of Crime in the Third Reich) in two volumes, SERIENMÖRDER der DDR, KILLERPÄRCHEN and DAS OBSCURUM – Tales of horrible murders and other lurid events from Old Europe. All editions are thread-bound hardbacks with a ribbon bookmark. Books of well known and best-selling authors have been published by Kirchschlager. Apart from non-fiction books and source and text compilations Michael Kirchschlager also publishes die “Bibliothek des Grauens” (Library of Horror), die “Historische Kriminal-Bibliothek” (Historical Crime Library) and KRIMINALIA.DE, the online magazine for the history of crime and legal history.

www.verlag-kirchschlager.de
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Pressebeitrag zu „Lebendig begraben“ von KHK Lutz Harder – Maria Hochberg (TA v. 2.10.2021)

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Frank Esches „Thüringer Mord-Pitaval“, Bd. III – Eine Rezesion von Max Pechmann auf FILM und BUCH

Der Archivar und Autor Frank Esche legt nun den dritten Band seiner Reihe „Thüringer Mord-Pitaval“ im Verlag Kirchschlager vor. Band 3 umfasst die Jahre 1915 – 1960. Somit reichen die Fälle von der Weimarer Republik bis in die DDR. Das Buch beinhaltet 20 Kriminalfälle, in denen es um Mord und Raubmord geht. In einem Fall war ein Polizist Mittäter, bei einem anderen handelte es sich bei der Täterin um eine geisteskranke Frau. Bei einem weiteren Mord aus dem Jahr 1920, bei dem der Journalist Ernst Schott erschossen wurde, wurden die Ermittlungen einfach eingestellt.

Frank Esche gelingt es erneut, die Kriminalfälle so zu schildern, dass daraus gleichzeitig ein genaues Bild der jeweiligen sozialen Umstände entsteht. Dadurch bleiben seine spannenden Schilderung alles andere als oberflächlich. Denn Esche untersucht, was für ein Mensch der jeweilige Täter gewesen ist, was ihn zu der Tat getrieben hat. Daraus ergeben sich interessante Einblicke in damalige Lebensumstände und Biografien, die überaus lebendige Einblicke in den Alltag vermitteln.

Frank Esche suchte in verschiedenen Archiven nach den jeweiligen Einzelheiten der Taten und setzte sie wie ein Puzzle zusammen. Zusätzlich wertete er Gerichtsakten aus, aus denen er gelegentlich zitiert, wodurch beim Leser der Eindruck entsteht, als würde er selbst als Beobachter am Prozess teilnehmen. Zu manchen Fällen fand Frank Esche Polizeifotos und Porträtaufnahmen der Täter bzw. Opfer, die ebenfalls in dem Band enthalten sind. Erneut ist dadurch Frank Esche ein Buch gelungen, das auf einzigartige Weise alte Kriminalfälle ans Licht bringt. – Sehr zu empfehlen.

Frank Esche. Thüringer Mord-Pitaval Band 3. Verlag Kirchschlager 2021, 278 Seiten, 12,95 Euro

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Frank Esche: Der Erfurter Weltfeind (Erfurt, 1938)

Aus: Thüringer Mord-Pitaval, Band I

Er sah am 25. Mai 1938 wie sie sich auf dem Erfurter Markt mit einer Frau unterhielt und beschloß sie auf dem Heimweg zu töten. Der Klempner Erwin Marcinkowski überquerte den Friedrich-Wilhelms-Platz, eilte in das Eisengeschäft von Cemmnitius&Hensel in der nahen Paulsstraße und erwarb dort ein schweres Beil für 1,35 Reichsmark. Sein Weg führte ihn dann auf den Markt zurück, um schließlich die verhaßte 56jährige Frau Alkenbrecher auf ihrem Weg nach Hause hinrichten zu können. Die ahnungslose Frau begab sich alsbald in Richtung ihrer Wohnung in der Ziegengasse. Sie überquerte den Fahrdamm hin zur Andreasstraße und lief weiter zur Weißegasse, ohne ihren Verfolger zu bemerken, der zunächst in angemessener Entfernung hinter ihr blieb. Vor dem Grundstück Weißegasse Nr. 37 erreichte er die Frau und hieb mit dem noch verpackten Beil auf deren Hinterkopf. Dieser erste Schlag streifte die rechte Kopfhälfte des Opfers nur, wobei etwas Kopfhaut abgetrennt und der Schädelknochen äußerlich verletzt wurde. Die Attakierte schrie auf, drehte sich um und erkannte den Angeklagten. Mit voller Wucht schlug dieser sofort ein zweites Mal mit dem Beil auf den Kopf der Frau und zertrümmerte damit deren Schädelknochen. Frau Alkenbrecher stürzte zu Boden und blieb am Rand des Fußsteiges in der Gosse liegen. Der Mörder kämmte nun seine bei dem Verbrechen in Unordnung geratenen Haare, zündete sich eine Zigarette an und blieb gelassen neben seinem Opfer stehen.

Alsbald erschien die herbeigerufene Erfurter Kriminalpolizei am Tatort. Beim Eintreffen des Kriminalkommissars Boskamp stand Marcinkowski ruhig und teilnahmslos neben der immer noch leise röchelnden Frau. Nachdem die Sterbende ins städtische Krankenhaus gebracht worden war, verschied sie bald nach ihrer Einlieferung 11.45 Uhr vormittags an den schweren Zertrümmerungen des Schädels und den Verletzungen des Gehirns. Der Mörder ließ sich widerstandslos ins Polizeipräsidium bringen und schilderte dort lückenkos seine Tat. Das Landgericht Erfurt verurteile den Angeklagten, dem Antrag des Staatsanwaltes folgend, wegen Mordes mit dem Tode. Marcinkowski schrieb am 17. Oktober 1938 an den Oberstaatsanwalt des Landgerichtes Erfurt:

Nun sitze ich schon wieder sechs Wochen hier und warte auf den Henker. Warum nur? Ich bin nicht geisteskrank, ich bin vollkommen normal. Aber ich weiß wohl; man hat Bedenken gegen meine Henkersmahlzeit. Ich will daher gern und großzügig, zu Gunsten des mir nachfolgenden Todeskandidaten, verzichten. Aus diesem Grunde wünsche und verlange ich meine sofortige Hinrichtung ohne jegliche Beigabe. Noch bin ich es nicht; aber wenn ich noch länger unnütz warten muß, da werde ich krank. Aber ich möchte nicht als Kranker, sondern ich will als junger und gesunder Mensch hingerichtet werden. Dieses zu berücksichtigen und mir auch die Fußfesseln abzunehmen, weil ich mit der Zeit steife Glieder bekomme, bittet Erwin Marcinkowski.“

Am 23. November wurde er im Innenhof des Weimarer Gerichtsgebäudes hingerichtet.

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Frank Esche: Der Gräfenthaler Weibsteufel

Aus: Thüringer Mord-Pitaval, Band I

In den Mittagsstunden des 18. Novembers 1928 liefen die Telefondrähte in Thüringen heiß. Aus dem Waldstädtchen Gräfenthal wurde ein bestialischer Doppelmord an dem hoch betagten Uhrmachermeisterehepaar Richard und Lina Grosch gemeldet. Der grausame Doppelmord in der geräumigen Mietwohnung des Eckhauses Markt-Judengasse sollte über die Grenzen Thüringens hinaus Schauder und Entsetzten auslösen.

Es gingen einige Monate ins Land, bevor die Untersuchungsbehörden der vermeintlichen Doppelmörder habhaft werden konnten, denn diese hatten keine Spuren hinterlassen. Die vom 7. bis 13. Juli 1931 vor dem Rudolstädter Schwurgericht statt gefundenen Verhandlungen sollten den Indizienbeweis der Täterschaft erbringen. Die Beweisaufnahme erwies sich allerdings als außerordentlich schwierig und die Wahrheitsfindung entwickelte sich zu einem der bedeutendsten Sensationsprozesse in der Zeit der Weimarer Republik.

Zum Auftakt des „Paschold-Prozeßes“ berichtete am 7. Juli genannten Jahres die „Schwarzburg-Rudolstädtische Landeszeitung“ aus dem Rudolstädter Schwurgerichtssaal:

Der Prozeß gegen Klara Paschold und Genossen vor dem Schwurgericht begegnet nicht nur in Thüringen, sondern auch im Reiche größtem Interesse. Die Karten für das Publikum waren schon seit einiger Zeit ausverkauft. Der Zuschauerraum ist völlig besetzt. Die Presse ist in einer in Rudolstadt noch nie gesehenen Zahl vertreten. Ueber dem Schwurgerichtssaal liegt die eigentümliche Spannung eines großen Tages, die sich noch erhöht, als die 22jährige in die Anklagebank geführt wird. Die Angeklagte ist bleich von der langen Haft, unterhält sich aber munter und lebhaft mit ihren Wärtern. Sie ist eine kleine, hübsche Person, mit dunkelbraunen, rechtsgescheiteltem Bubikopf, dunklen, lebhaft glänzenden Augen, von guter Figur. Auch Dachdecker Werner und der Maler Zange sitzen in der Anklagebank, getrennt von ihrer Tatgenossin.“

Im Ergebnis des Indizienprozesses in dem sich Klara Paschold heftige, von Wutausbrücken begleitete Auseinandersetzungen mit Zeugen und dem Richter lieferte, erfolgte am 13. Juli 1931 das Urteil: Die beiden Angeklagten Paschold und Werner sind schuldig, gemeinschaftlich und vorsätzlich zwei Menschen getötet und die Tötung mit Überlegung ausgeführt zu haben. Zange wurde freigesprochen.

Das Gericht verurteilte das kaltblütige Paar Pachold und Werner wegen zweifachen Mordes zweimal zum Tode. Der Mord sei in „völliger Geistesruhe und mit kaltem Blute“ erfolgt. Die Täter hätten die Morde monatelang vorbereitet und „von Anfang bis zu Ende im bewußten und gewollten Zusammenwirken gehandelt; Werner hat auch die Tat der Paschold und sie diejenige des Werner als eigene Tat gewollt […]. Sie müssen auch für ihre schweren Verfehlungen strafrechtlich verantwortlich gemacht werden, da eine krankhafte Veränderung des Geisteszustandes bei keinem der beiden Angeklagten vorlag. Das steht nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung und insbesondere nach dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Hilpert, wonach die Paschold insbesondere eine sehr intelligente, jedoch zu Gewalttätigkeit neigende Person mit rohem Gemüt ist, einwandfrei fest.“

Die Todesstrafen wurden 1932 in lebenslange Haft umgewandelt, der Strafvollzug für die Verurteilten sollte jedoch 1944 bzw. 1945 eine unerwartete Wendung erfahren.

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Frank Esche: Der Altenburger Lustmörder Walter Friedemann (Altenburg, 1924)

Aus: Thüringer Mord-Pitaval, Band I

In der öffentlichen Sitzung der ersten Strafkammer des Landgerichts Altenburg am 31. Januar 1924, wurde Walter Friedemann wegen Unzucht und Totschlags verurteilt.

Er hatte unter anderem ausgesagt: „Bis 2. September 1923 war ich als landwirtschaftlicher Arbeiter in Bocka tätig und zog am 3. 9. 1923 in die hiesige Herberge zur Heimat. Am 4.9.1923 wollte ich eine Stelle antreten, bei dem Gutsbesitzer Malzer in Lehnitzsch […] Ich war bereits allein bis nach Ehrenberg gegangen, wo ich schließlich den Entschluß faßte, die Stelle bei Malzer in Lehnitzsch nicht anzutreten. Ich kehrte deshalb wieder nach Altenburg zurück und nahm den Weg über Mockern durch den Herzog-Ernst-Wald. Nachmittags etwa ½ 3 Uhr war ich an der Paditzer Straße, wo der Verbindungweg nach der Kotteritzer Straße abzweigt. Dort kam eine Frau mit einem Handwagen – die Albrecht, die den beschriebenen Weg einbog und die ich ansprach. […] Über geschlechtliche Dinge habe ich mit ihr nicht gesprochen […] Ich zog die Albrecht etwa 8 m tief rechts von der Straße in das Fichtendickicht. Sie war bereits leblos. Ich habe sie hier geschlechtlich gebraucht. Aber auch in diesem Falle kam es nicht zum Samenerguß solange ich das Glied in der Scheide hatte. Unmittelbar danach erfolgte bei mir der Samenerguß. Die Albrecht hat sich nicht mehr geregt, als ich sie gebrauchte. Sie war aber noch warm.“

Der Schuldspruch erfolgte zusammengefaßt für nachstehende Verbrechen:

1. der vollendeten Unzucht in 2 Fällen,

2. der versuchten Unzucht in 1 Falle,

3. der vollendeten Unzucht in zwei Fällen mit Todesfolge in Verbindung mit Totschlag,

4. des vollendeten Todschlag in 1 Falle.

Friedemann wurde deshalb zweimal zu lebenslänglichem Zuchthaus und zu einer Gesamtstrafe von 15 Jahren Zuchthaus verurteilt.

Noch am selben Tag wurde der Verurteilte in das Zuchthaus Untermaßfeld eingeliefert.

Am 21. August 1934 erkannte die große Strafkammer des Thüringischen Landgerichts zu Altenburg in ihrer Sitzung für Recht:

[…] die Entmannung wird angeordnet. Friedemann trägt die Kosten des Verfahrens.“

Die angeordnete Entmannung des Walter Friedemann erfolgte durch einen medizinischen Eingriff am 8. März 1935.

Am 11. November 1948 faßte die Regierung des Landes Thüringen den Beschluß, dem wiederholten Gnadengesuch des Friedemann unter Auflagen stattzugeben, da von ihm mit großer Wahrscheinlichkeit keine Gefahr mehr ausging und die soziale Prognose als sehr günstig eingeschätzt wurde. Dies wurde ihm mit Schreiben vom 3. Februar 1949 mitgeteilt, worauf seine Entlassung aus dem Strafvollzug nach zirka 25jähriger Haftzeit erfolgte.

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